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Freitag, den 12. Jan. 2007

400 Jahre Eroberung  

.   Des ersten Gesetzgebers der englischen Eroberer, die vor 400 Jahren nach Jamestown kamen, erinnerte sich Dick Cheney am 10. Januar 2007 zum Beginn der Vierhundertjahrfeier in Virginia. Auch die verhängnisvolle Vermischung von Sklaverei und Völkervernichtung, die noch nach Jahrhunderten neue Rechtsfragen hervorbringt, kam zur Sprache. Die Legislative arbeitete schon, als sich die Pilgrims erst auf den Weg machten.


Freitag, den 12. Jan. 2007

Briefgeheimnis an Weihnachten verloren  

KR - Washington.   Von der Öffentlichkeit unbemerkt und ohne großes Aufsehen, so hatte sich Präsident George W. Bush am 20. Dezember 2006 die Unterzeichnung des Postreformgesetzes H.R.6407, dem Postal Accountability and Enhancement Act, vorgestellt. Ein Artikel in der New York Daily Post, wahrscheinlich inspiriert durch die Blogger-Szene, hat jedoch eine Lawine der Entrüstung in der US-amerikanischen Medienlandschaft ausgelöst. Grund dafür ist das Addendum, besser bekannt als das Signing Statement des Präsidenten, welches dieser fast beiläufig dem vom Kongress beschlossenen, insgesamt eher nüchtern anmutenden Postreformgesetz als Anhang beigefügt hat. Der Postal Accountability and Enhancement Act sieht vor, dass den Sicherheitsbehörden ein Öffnen der Post nur mit einem Warrant, einer richterlichen Genehmigung, gestattet sein soll.

In seinem Signing Statement hat Präsident Bush bestimmt, dass die Regelung bis an den äußersten Rand des Zulässigen auszulegen sei und sich im Einzelfall nach Notwendigkeitserwägungen auszurichten habe. Ein solcher Fall sei beim Vorliegen von exigent Circumstances, Gefahr im Verzug, gegeben. Lediglich exemplarisch werden in diesem Zusammenhang der Schutz des menschlichen Lebens, Maßnahmen zur Abwehr von Gefahrstoffen und gesetzlich legitimierte Anträge ausländischer Nachrichtendienste genannt.

Unisono und fast gebetsmühlenartig betonten die Pressesprecher des Weißen Hauses sowie der Post, dass das Signing Statement keine Veränderung der bestehenden Gesetzeslage darstelle und keine neuen Eingriffsbefugnisse der Exekutive schaffe.

Träfe dies zu, würde sich jedoch die Frage nach dem Sinn und Zweck eines rein deklaratorischen Signing Statements aufdrängen. In der Tat gab es die bomb-search Exception schon vorher, aber es lässt sich nicht leugnen, dass der neue Terminus der exigent Circumstances den Sicherheitsbehörden deutlich mehr Spielraum einräumt.

Durch die Verdrängung des Richtervorbehalts bis an den Rand der Bedeutungslosigkeit hat Präsident Bush das Briefgeheimnis faktisch ausgehebelt. Typischerweise wurden Signing Statements bislang von Präsidenten dazu genutzt, zur Auslegung neuer Gesetze beizutragen, und nicht, um die Gesetze des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit in letzter Minute zu revidieren oder gar zu verwerfen.

Nach Angaben des Boston Globe hat Bush bislang mindestens 750 mal von Signing Statements Gebrauch gemacht. Diese Praxis wird gern mit der Unitary Executive Theory begründet und gerechtfertigt. In den Medien wird diese jedoch als fashionable and neoconservative und als undemocratic Maneuver kritisiert. Auch die American Bar Association sieht darin einen bedenklichen Eingriff in die Gewaltenteilung.

Aus deutscher Sicht, sensibilisiert durch die Diskussion um den Großen Lauschangriff, ist es jedoch verwunderlich bis befremdend, dass bei dem überwiegenden Teil der amerikanischen Bevölkerung das Signing Statement kaum Bedenken hervorgerufen hat. Es scheint, als habe man sich so sehr an die zahlreichen Eingriffe in die Privatsphäre gewöhnt, dass mittlerweile auch die Bereitschaft vorhanden ist, das Briefgeheimnis auf dem Altar der nationalen Sicherheit zu opfern.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.