×KEINE COOKIES - KEINE TRACKER

• • Freiberufler oder Angestellter: Neuverordnung • • Einheitliches im Gesellschaftsrecht: BOI-Meldung • • Schedule A Defendants-Missbrauchsklagen • • Kann und darf: Gerichtswahlklausel • • Überraschende Nebenkosten: Verordnung • • Zurück zum uneinheitlichen Presserecht • • Anspruch auf Löschung des Kontos eines Dritten • • Überstunden in den USA: Aktualisierung • • Neueste Urteile USA

Dienstag, den 08. Mai 2007

Anspruch, nicht Fakten

 
.   Nachdrücklich, doch stilvoll ermahnt einer der besten US-Revisionsrichter die Untergerichte, Klagen nicht abzuweisen, die Ansprüche behaupten, ohne Fakten anzubieten. Dem Erfordernis des Notice Pleading im Bundesprozessrecht ist damit Genüge getan, auch wenn eine Abweisung nach einzelstaatlichen Zivilprozessrecht in Frage käme.

Doch bitte: Die Untergerichte sollen gefälligst die zutreffenden Regeln anwenden und nicht immer wieder die Rechtszweige verwechseln. Bund ist Bund, Staat ist Staat, und Notice Pleading erfordert kein Fact Pleading. Um die Beweise sollen sich die Rechtsanwälte in der Discovery kümmern.

Mit dieser überzeugenden Begründung hebt Richter Easterbrook vom Bundesberufungsgericht des siebten Bezirks der USA am 30. April 2007 in Sachen Veronica Vincent v. City Colleges of Chicago et al., Az. 06-3082, die Klagabweisung nach der Schlüssigkeitsprüfung teilweise auf.

Seine Urteilsbegründung ist als Einführung in die Klagevoraussetzungen in den USA und der von Amts wegen vorgenommenen Parteiberichtigung empfehlenswert, obwohl sie zum materiell vielversprechenden Thema der Ansprüche eines Buchautors auf Schadensersatz bei der unerlaubten Verwendung eines Buches zum Unterricht am College nach Urheberecht und Markenrecht nicht viel hergibt.



Signing Fee - nicht bei uns

 
.   Signing Fee für den US-Anwalt? Nicht bei uns. Diese Google-Suche geht in die verkehrte Richtung. Solch eine Gebühr mag beim Notary entstehen, der dem deutschen Notar übrigens nicht äquivalent ist. Er stellt lediglich einen Beglaubiger dar, benutzt jedoch hübsche Prägesiegel. Mancher beeindruckt gar mit glitzernden Falschgoldplaketten.

Im Zusammenhang mit gewissen Darlehen kann eine solche Gebühr auch vorkommen. Außerdem gilt in vielen Branchen, dass der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Also ist die Signing Fee auch bei anderen Geschäften denkbar. Caveat Emptor!

Wir Anwälte sind arm dran. Für uns gibt es meist nur ein schlichtes Honorar, eine Fee. Die Fees werden nach dem Aufwand bemessen. Zeit und Rat - mehr kann der Anwalt nicht bieten, meinte schon Attorney Lincoln und wurde Präsident. Der fähige amerikanische Anwalt kann ein Honorarium durch Vorträge hinzuverdienen. Dies ist jedoch nur eine Ehrenbezeugung, kein aufwandsentschädigendes Honorar.

Lässt sich der Lawyer scheibchenweise oder vorschussweise vergüten, spricht man bei der Zahlung von einem Retainer. Der erinnert an das Retainer Agreement, eine Art des Mandatsvertrags, der auch mit einem Engagement Letter zustande kommen kann. Von einem Mandate spricht man nicht. Den Begriff reklamieren Politiker für sich.

Das vergleichsweise seltene, doch von der Presse hochgeschätzte Erfolgshonorar in der Form einer Quota Litis unterliegt in den USA zahlreichen Beschränkungen und setzt einen besonders ausführlichen Mandatsvertrag voraus. Der darf die Sittenwidrigkeitsregeln der althergebrachten Prinzipien Champerty und Barratry nicht verletzen.

Meist beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit nach einem derartigen Contingency Fee Agreement auf Ansprüche nach den US-Regeln der unerlaubten Handlung, Torts, nicht nach Vertragsrecht, Contracts.

Ab Mitternacht findet man die Werbung derartig tätiger US-Juristen - oder sind sie Pokerspieler? - im Fernsehen. Rund um die Uhr werben sie mit Google-Anzeigen. Rasen sie Krankenwagen hinterher, bezeichnet man sie gern auch als Ambulance Chaser. Shyster passt auch.

Bei den legalen Gebührenvarianten kennt man noch weitere Begriffe. Die Retainer Fee ist so eine Art Reservierungsgebühr. Der Anwalt wird in Bereitschaft gehalten. Die Gebühr kann jedoch auch einen Vorschuss bedeuten. Ein Vorschuss kann auch Advance oder Engagement Fee heißen. Die Engagement Fee ist zwar eine Gebühr für das Anheuern, aber sie kann wie ein Vorschuss auf erbrachte Leistungen des Rechtsanwalts verrechenbar sein. Beim anwaltlichen Vorschuss ist der Begriff Downpayment unüblich, doch trifft er den Kern.

Wie hoch sollte der Vorschuss sein? $300? Das reicht bei manchen Kanzleien kaum für eine Stunde Beratung durch den Frischling, der noch kein Stündchen Anwaltserfahrung besitzt. Solche Gebühren bezeichnete Corporate Counsel kürzlich als Halsabschneiderei und riet Unternehmen, besser einen erfahrenen Partner für $400, $600 oder mehr je Stunde zu engagieren. Eine hourly Rate für einen Associate von $300 deute auf falsches Management der Kanzlei oder einen verkorksten Markt hin. Es werde Zeit, so kalkulierende Kanzleien zu boykottieren.

Machen sich Hausjuristen haftbar, wenn sie solche Fees hinnehmen? Von dieser interessanten Frage des Corporate Governance zurück zur Ausgangsfrage. Die Signing Fee passt also nicht zu US-Anwälten. So sei zum Signing On und den damit anfallenden Belohnungen verwiesen - und damit auf American Arena, das selbst Sportapathische unterhaltende Sportblog - amerikanischer Sport auf Deutsch.

Vielleicht meinte der Google-Sucher auch ein Signing Statement - oder etwa eine Singing Fee? Um das erste kümmert sich der Präsident bei der Annahme von Gesetzen. Die zweite fällt in den USA bei Anwälten auch nicht an. Vielleicht sollten wir sie jedoch dem Partner im Musikgeschäft vorschlagen. Der Gesang seiner Mandanten ist manchmal nur auszuhalten, wenn der Zuhörer entschädigt wird.







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.




 
×KEINE COOKIES - KEINE TRACKER