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Samstag, den 01. Dez. 2007

Europa rettet Amerika

 
.   Kartoffeln und Kohle verfrachteten Ami-Bomber 1947 nach Berlin, um die deutsche Hauptstadt zu retten. Heute fliegen Volksfrachter Europäer sardinengleich in die US-Hauptstadt, damit sie im nahe am Dulles Airport liegenden Montgomery Mall in Bethesda oder im Leesburg Outlet Center Euros in die notleidende US-Wirtschaft stecken.

Wissen die Billigkäufer, was sie tun? Sie kaufen praktisch Wegwerfware - Mängel können sie nach der Rückkehr nicht effektiv reklamieren. Von der minimalen Gewährleistung nach US-Recht haben sie keine Vorstellung. Hoffentlich merken sie sich, dass die Geschäfte am 26. Dezember offen sind, um Waren umzutauschen.

Die deutschsprachigen Anwälte in den USA stellen sich schon gedanklich auf die Welle von Reklamationen ab Weihnachten ein. Und auf die enttäuschenden Antworten: Nein, die Garantiefrist richtet sich nicht nach deutschem Recht. Ja, die Klage ist teurer als Ihr Anspruch. Nein, Erfolgshonorar ist nicht üblich. Ja, der Kläger bleibt normalerweise auf seinen Kosten sitzen. Nein, Schmerzensgeld gibt es für den Mangel nicht.



Letzter Lehrgang

 
.   Wieder hat ein Referendar seine Wahlstation in Washington erfolgreich absolviert. Der letzte Lehrgang der Ausbilders mit den Referendaren vor der Zeugnisausgabe betrifft ein relativ neues, wichtiges Thema, die Electronic Discovery.

Unter ihr versteht man nicht nur den schon länger bekannten Ausforschungsbeweis für elektronisch entstandenes oder gespeichertes Beweismaterial, sondern seit dem Inkrafttreten der neuen Verfahrensregeln vor allem das für Parteien und Anwälte kritische Regelwerk zur Sicherung und Offenlegung der Daten im Rahmen der Discovery.

Wichtigster Stichpunkt ist der Litigation Hold. In dem Augenblick, da eine Partei oder ein Anwalt von einem Rechtsstreit erfährt, sind alle Beweise auf Eis zu legen. Veränderungen und erst recht Löschungen von Daten können für alle Beteiligten, auch die Anwälte, drastische Sanktionen bedeuten. Und das betrifft nicht die Daten, die einen selbst interessieren, sondern die Beweise, die die Gegenseite vielleicht gern hätte.

Da nach neuesten Entscheidungen auch Daten im RAM-Speicher, der ja nun wirklich nicht auf alle Ewigkeit speichert, unter die Einfrierpflicht des Litigation Hold fallen, ist höchste Eile bei gleichzeitiger Anwendung höchster Kunstfertigkeit in der Datensicherung unverzichtbar. RAM-gespeicherte Daten sechs Stunden lang ungesichert lassen, sodass sie automatisch überschrieben werden - das hat ein Gericht bereits als Verstoß betrachtet.

Wer sein Betriebssystem nicht bis in die letzte Ecke kennt, wird auch nicht wissen, wo auf der Festplatte alle Daten zu finden sind, die im normalen Betrieb überschrieben werden können. Und wer denkt schon an die flüchtigen Datenmengen in der Grafikkarte oder dem Firewall-Kästchen? Ein versehentliches Überschreibenlassen speicherungsfähiger Daten gilt nach neuester Auslegung der Rule 37 FRCP nicht als der Entschuldigungsgrund, den viele beim Entwurf der neuen Prozessregeln gewollt hatten.

Ein weiteres kritisches Thema ist die Wechselwirkung von Datenerfassungspflicht nach amerikanischem Prozessrecht und Datenvernichtungspflicht nach Datenschutzrecht, vor allem nach europäischem Recht. Hier soll alles festgefroren werden und lange Zeit auf Eis liegen, um dann von diversen Personen gesichtet und verwertet zu werden - im Prozess, der der Öffentlichkeit offensteht.

Dort müssen Daten, sofern sie überhaupt gespeichert werden dürfen, nach kurzer Zeit vernichtet werden. Das Spannungspotential ist erheblich. Die Referendare teilen das Interesse an dieser Schnittstelle im deutsch-amerikanischen Recht, und der ausbildende Attorney denkt an seinen eigenen Abschluss der Wahlstation vor vielen Jahren zurück, als die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen so greifbar geworden waren.



Bürokratie für Hartgesottene, 1. Akt

 
RM - Washington. Vom zweifelhaften Vergnügen einer Verhandlung mit US-Behörden können nicht nur gestandene deutsche Juristen ein Liedchen singen, wie kürzlich bei der Änderung eines Gesellschaftsvertrages beim Washingtoner Handelsregister, dem Department of Consumer and Regulatory Affairs. Selbst Amerikaner klagen über die ausufernde und oft willkürlich erscheinende Bürokratie. So beschrieb die Assistentin des ausbildenen Rechtsanwaltes ihren Umgang mit der KFZ-Meldestelle in der US-Hauptstadt, dem Department of Motor Vehicles, als Hellish Experience, also Höllenerlebnis.

Da sie wie viele Leute ihren Hauptwohnsitz in Virginia oder Maryland behalten will und nur vorübergehend in Washington wohnt und mit dem Auto in Washington fährt, sollte sie nach einer polizeilichen Verwarnung ihr Auto in Washington anmelden, wofür man aber wiederum seinen Hauptwohnsitz ebenfalls dort haben muss. Weil sie dies aber aus steuerlichen und persönlichen Gründen nicht wollte, entschied sie sich nach gründlicher Recherche der im Internet von der Behörde selbst bereit gestellten Richtlinien für die dort offerierte Ausnahme ROSA, Registration of Out-of-State Automobiles, also Anmeldung von gebietsfremden Fahrzeugen für gelegentliche Fahrten im Stadtgebiet.

Gründlich wie die Absolventin einer der besten amerikanischen Unis nur sein kann, nahm die Assistentin sämtliche in den Regularien aufgeführten Unterlagen mit, fuhr extra mit einem anderen Auto, das keine Registrierungsprobleme hatte, in die Stadt zum Amt und stellte sich pünktlich eine Stunde vor Öffnung der Türen um 7.15 Uhr morgens an. Denn der Amerikaner weiß natürlich, dass die Schlange bereits bei Eröffnung einmal um den Häuserblock reicht.

Weil das Auto ihren Eltern gehörte, musste sie freilich außer dem Fahrzeugschein und ihren Führerschein noch den Führerschein ihrer Eltern in Kopie mitbringen und zum Nachweis, dass sie ihren Hauptwohnsitz wirklich bei ihnen beibehält, eine Erklärung ihrer Eltern. Nicht zu vergessen ist die Kopie einer nicht älter als 60 Tage alten Stromrechnung des elterlichen Hauses. Guten Gewissens konnte man nun also vor das Amtspersonal treten in der Hoffnung auf den Erhalt einer ROSA-Plakette.
Fortsetzung folgt.







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.




 
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