Das Recht, anonym zu beleidigen
CK • Washington. Das Recht eines Bürgers, anonym einen Politiker zu beleidigen, gilt auch im Internet für Blogs, bestätigte das Obergericht des Staates Delaware am 5. Oktober 2005 im Fall John Doe No.1 v. Patrick Cahill, Julia Cahill, Az. 04C-011-022. Der anonyme Blogger wurde unter anderem durch amicus curiae-Schriftsätze unterstützt, die das Bundesverfassungsrecht auf die anonyme Meinungsfreiheit betonen.
Der ISP des Schreibers hatte von einem Politiker eine Aufforderung erhalten, den Namen des einer IP-Anschrift zuzurechnenden Kunden offenzulegen. Nach 47 USC §551(c)(2) unterrichtete der ISP den Kunden, welcher sich mit einem dringenden Antrag auf eine Schutzverfügung an das Gericht wandte, um die Offenlegung zu verbieten.
Das Untergericht wies die Emergency Motion for a Protective Order ab. Das Obergericht bestätigte zunächst, dass der Schutz der Meinungsfreiheit, auch für die anonyme Rede, sich nach dem ersten Zusatz zur Bundesverfassung auf das Internet erstreckt. Dies gilt insbesondere im politischen Bereich, wie der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten in Washington bereits 1995 festgestellt hatte:
Die Verfassung schützt dennoch vor Beleidigungen und Verleumdungen, weil die Meinungsfreiheit kein jederzeit und an allen Orten absolutes Recht darstellt. Es unterliegt minimalen Schranken. Diese dürfen jedoch nicht zur Zensur - und auch nicht zur Selbstzensur der anonymen Rede - führen. Dies gilt insbesondere bei Politikern, die mehr als andere verpflichtet sind, Kritik zu ertragen, um sie nicht in die Versuchung zu führen, im Machtmissbrauch gegen ihnen unliebsame Kritiker zurückzuschlagen.
Besondere Vorsicht ist bei der Verfolgung unbekannter Personen angesagt. Das Gericht bemerkte, dass die Zahl der zivilrechtlichen Verfolgungen Unbekannter erheblich zugenommen hat, während diese Klagen oft keinen Schadensersatz zum Ziel haben, sondern die Bloßstellung der Person. Die Verfolgung von Kritikern durch eine prozessuale Verfolgung kann einen Missbrauch des Rechtswesens darstellen, ist der Erörterung des Gerichts zu entnehmen.
Gegen die Gefahr des Missbrauchs des Rechtswesens errichtet das Gericht mit seiner Entscheidung einen hohen Schutzwall, indem es besonders hohe Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Antrages auf Ent-Anonymisierung stellt. Im konkreten Fall stellt es eine reine Meinungsäußerung zum geistigen Verfall Cahills sowie seiner Charakterschwäche und Paranoia fest, die keine beleidigenden Aussagen über den Politiker als Fakten anbot und daher keine zulässige Grundlage für einen Anspruch auf Offenlegung des Blog-Verfassers darstellte.
Zum Verhältnis des Grundrechts auf anonyme Rede zu bürgerfeindlichen Schnapsideen wie einer Impressumspflicht, die den Bürger dem Haien des Internets ausliefert, im transatlantischen Verhältnis siehe auch Das anonyme Blog und Schutz der Anonymität. 
[...]anonymous pamphleteering is not a pernicious, fraudulent practice, but an honorable tradition of advocacy and dissent. ... The right to remain anonymous may be abused when it shields fraudulent conduct. But political speech by its nature will sometimes have unpalatable consequences, and, in general, our society accords greater weight to the value of free speech than to the dangers of misuse. McIntyre v. Ohio Elections Comm'n, 514 US 334 (1995).
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