Richter zum mobilen Abhören
CK • Washington. In Unter Geeks: Abhören ging es hier dieser Tage um die Vermutung unter Technoholikern, dass die Notruffunktionen für Mobiltelefone von der Regierung nicht nur zur Sicherheit ihrer Benutzer, sondern auch zu ihrer Beobachtung und Verfolgung vorgeschrieben werden. Die Notrufbestimmungen erfolgen dabei nicht nur wirtschaftlich auf dem Rücken der Mobilfunkanbieter, sondern auch auf dem Rücken einer freiheitlichen Rechtsordnung, wenn die Beobachtung in Echtzeit ohne triftigen strafverfolgerischen Grund erfolgt.
Diese Bedenken werden nach neuen Entscheidungen auch von Gerichten geteilt. Instruktiv ist vor allem die ausführliche, 57 Seiten lange Begründung der Ablehnung einer Echtzeitbeobachtung ohne konkreten strafrechtlichen Anlass im Verfahren In the Matter of an Application of the United States for an Order (1) Authorizing the Use of a Pen Register and a Trap and Trace Device and (2) Authorizing Release of Subscriber Information and/or Cell Site Information, Az 05-1093, vom 24. Oktober 2005.
Richter James Orenstein vom Bundesgericht erster Instanz im Ostbezirk New Yorks lehnte den in einem der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglichen Verfahren gestellten Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft auf Beobachtung von Mobilfunkteilnehmern in Echtzeit ohne triftigen strafrechtlichen Grund ab. Angesichts der Neuheit der technischen und rechtlichen Fragen öffnete der Richter das Verfahren der Öffentlichkeit, indem er die Electronic Frontier Foundation einlud, einen Amicus Curiae-Schriftsatz einzureichen. Mit derartigen Schriftsätzen können Unbeteiligte dem Gericht ihre sachverständigen Auffassungen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung unterbreiten, um es zu einer besseren Entscheidung zu führen.
Der Richter gab zu, in seiner Vorentscheidung, 384 F.Supp.2d 562 (EDNY 2005), die Rechtslage fehlerhaft eingeschätzt zu haben. Im Ergebnis bestätigt seine neue Entscheidung jedoch das Verbot der Echtzeitbeobachtung, während er der Staatsanwaltschaft für die Nachprüfung historischer Daten einen gewissen Spielraum einräumt.
Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung. Natürlich ist auch außerhalb der Notrufsysteme der Mobilbetreiber dem Staat und Privaten die Möglichkeit gegeben, über mobilgeräteinterne Software den funkturmabhängigen Standort übermitteln zu lassen, und so den Standort des Gerätes zu beobachten. Solche Software gab es vor knapp 10 Jahren für Smartphones, und heute lassen sich entsprechende Ortungsprogramme wie Viren auf zahlreichen Mobilgeräten einspielen. Dabei erscheint die Gefahr größer, dass solche Software von Wettbewerbern im Rahmen der Wirtschaftsspionage installiert wird als von staatlichen Institutionen, die sich der laufenden Kontrolle durch andere Instanzen nach straf- und datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bewusst sind.