CK • Washington. Wenn WIPO veraltetes Recht heranzieht, gilt dann die Entscheidung? Das
Markenblog macht auf einen wichtigen Spruch aufmerksam:
F. Hoffmann-La Roche AG v. Domain Admin Tucows.com Co., Az. D2006-1488, vom 27. Februar 2007. Der Spruch sieht für Domaininhaber, die markengleiche Domains an Inhaber gleicher Namen als EMailanschriften vermieten, zunächst günstig aus.
Der Domaininhaber hatte seit 10 Jahren Domainnamen gesammelt und als EMailanschriften vermietet.
Die F. Hoffmann-La Roche AG verlangte die Herausgabe der Domain Roche.org, weil sie eine bösgläubige Nutzung mit Markenverstoß vermutete. Das Panel gab jedoch dem Inhaber recht, der die Roche-Domain an bis zu 20 Kunden namens Roche vermietet hatte.
Das Panel sah darin eine legitime, nichtbösgläubige Verwendung einer Domain aus berechtigtem Interesse für Nichtmarkenzwecke, die zufällig eine gleichlautende Marke berührte. Es verwies auf ein Urteil des neunten Bundesberufungsgerichts,
Avery Dennison Corporation v. Jerry Sumption et al., Az. 98-55810, vom 23. August 1999, das ebenfalls eine legitime Nutzung einer fremden Marke als Domain für Vermietungszwecke betraf.
Dieses Urteil hat jedoch zwei Haken. Es ist im vierten Bundesgerichtsbezirk nicht verbindlich, wenn er es nicht ausdrücklich übernimmt. Zudem erging es vor dem Inkrafttreten des bundesrechtlichen
Domainschutzgesetzes.
Der vierte Bezirk behandelt die
In Rem-Verfahren gegen behauptete Domain-Squatter nach dem
Anti-Cybersquatting Consumer Protection Act of 1999, 15 USC §1125(d), vom November 1999, der nach dem Avery-Urteil in Kraft trat. Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes war die Zuständigkeit der Gerichte nach
In Rem-Regeln für
Domainstreite umstritten. Mit dem Gesetz wurde nicht nur die In Rem-Zuständigkeit geklärt, die in den USA nicht greifbare Inhaber auf dem Weg über die Gerichtsbarkeit über die Domain berührt. Zudem verschärfte es materiell das Merkmal der Bösgläubigkeit.
Obwohl der Panelspruch positiv für Domainvermieter ausfällt, wenn die Vermietung von Domainnamen den dem Panel bekannten Fakten entspricht, stellen sich neben die Zweifeln wegen der Anwendung veralteten amerikanischen Rechts diejenigen nach anderem Recht. Im deutschen Recht betrifft dies beispielsweise die Frage, wie §12 BGB den Sachverhalt beurteilen würde. Namensinhaber genießen
keinen absoluten, doch einen
starken Schutz, nicht nur nach deutschem Recht.
Das WIPO-Panel bestätigt in seiner Begründung, dass die Bindungswirkung des Avery-Urteils umstritten ist und seine Zuständigkeit nicht nationale Rechtsordnungen umfasst. So kann dieser Panelspruch nicht als Garantie dafür gelten, dass ein dem WIPO-Verfahren folgendes Verfahren in den USA nach dem Cybersquatting-Gesetz bei .com, .net und .org-Domainnamen nicht zum entgegengesetzten Urteil führen würde.
Auch die Mindermeinung des WIPO-Panels bezweifelt - aus naheliegenderen Gründen - den Wert des Spruches. Nachdem der
First come, first served-Grundsatz des Domainrechts von einer markendominierten Rechtsprechung verdrängt wird, verwundert nicht, dass Panelist Dessemontet die unverkennbar starken Markenrechte der Antragsstellerin dominieren lässt. Dessemontet gibt aber zu bedenken, dass die Markeninhaberin zehn Jahre lang den Domaininhaber duldete. Damit legt er einen Verwirkungsansatz vor, den er wegen mangelnder schriftsätzlicher Unterstützung nicht weiter ausführt.
Es würde nicht wundern, wenn erstens die F. Hoffmann-LaRoche AG dem Domaininhaber die Domain nach dem WIPO-Schiedsverfahren über ein hiesiges In Rem-Verfahren nimmt und zweitens andere Markeninhaber Folgeverfahren gegen den Domaininhaber einleiten, wenn im Roche-Verfahren ein rechtskrafterstreckender
bad Faith bejaht wird und ihr Domainanspruch nicht der Verwirkung unterfällt.
Domainrecht In Rem Cyberquatting Domainvermietung