CK • Washington. Wieder hat ein Referendar seine Wahlstation in Washington erfolgreich absolviert. Der letzte Lehrgang der Ausbilders mit den Referendaren vor der Zeugnisausgabe betrifft ein relativ neues, wichtiges Thema, die
Electronic Discovery.
Unter ihr versteht man nicht nur den schon länger bekannten Ausforschungsbeweis für elektronisch entstandenes oder gespeichertes Beweismaterial, sondern seit dem
Inkrafttreten der neuen Verfahrensregeln vor allem das für Parteien und Anwälte kritische Regelwerk zur Sicherung und Offenlegung der Daten im Rahmen der
Discovery.
Wichtigster Stichpunkt ist der
Litigation Hold. In dem Augenblick, da eine Partei oder ein Anwalt von einem Rechtsstreit erfährt, sind alle Beweise auf Eis zu legen. Veränderungen und erst recht Löschungen von Daten können für alle Beteiligten, auch die Anwälte, drastische Sanktionen bedeuten. Und das betrifft nicht die Daten, die einen selbst interessieren, sondern die Beweise, die die Gegenseite vielleicht gern hätte.
Da nach neuesten Entscheidungen auch Daten im RAM-Speicher, der ja nun wirklich nicht auf alle Ewigkeit speichert, unter die Einfrierpflicht des
Litigation Hold fallen, ist höchste Eile bei gleichzeitiger Anwendung höchster Kunstfertigkeit in der Datensicherung unverzichtbar. RAM-gespeicherte Daten sechs Stunden lang ungesichert lassen, sodass sie automatisch überschrieben werden - das hat ein Gericht bereits als Verstoß betrachtet.
Wer sein Betriebssystem nicht bis in die letzte Ecke kennt, wird auch nicht wissen, wo auf der Festplatte alle Daten zu finden sind, die im normalen Betrieb überschrieben werden können. Und wer denkt schon an die flüchtigen Datenmengen in der Grafikkarte oder dem
Firewall-Kästchen? Ein versehentliches Überschreibenlassen speicherungsfähiger Daten gilt nach neuester Auslegung der
Rule 37 FRCP nicht als der Entschuldigungsgrund, den viele beim Entwurf der neuen Prozessregeln gewollt hatten.
Ein weiteres kritisches Thema ist die Wechselwirkung von Datenerfassungspflicht nach amerikanischem Prozessrecht und Datenvernichtungspflicht nach Datenschutzrecht, vor allem nach europäischem Recht. Hier soll alles festgefroren werden und lange Zeit auf Eis liegen, um dann von diversen Personen gesichtet und verwertet zu werden - im Prozess, der der Öffentlichkeit offensteht.
Dort müssen Daten, sofern sie überhaupt gespeichert werden dürfen, nach kurzer Zeit vernichtet werden. Das Spannungspotential ist erheblich. Die Referendare teilen das Interesse an dieser Schnittstelle im deutsch-amerikanischen Recht, und der ausbildende
Attorney denkt an seinen eigenen Abschluss der Wahlstation vor vielen Jahren zurück, als die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen so greifbar geworden waren.
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