Dennoch schockiert es den US-Anwalt, dass auf eine Frage nach US-Recht in Deutschland kurz auf ein Common Law des Bundes verwiesen wird und sogleich Antworten nach den Restatements of the Law und den Uniform-Modellgesetzen erteilt werden, die der deutsche Jurist säuberlich wie ein deutsches Gesetz analysiert.
Weder Restatements noch Uniform-Modelle sind Gesetze. Die ersten geben - oft empirisch empfundene - Rechtsgedanken wieder, die sich aus der Rechtsprechung ableiten, und bieten Faktoren und Argumente, die die Gerichte berücksichtigen können. Ihr Einfluss ist nicht unbedingt einmal so stark wie der der Lehre im deutschen Recht. Die zweiten sind Vorschläge, die die Staaten annehmen dürfen. Manche wie der UCC sind weit rezipiert worden - oft mit zahlreichen Änderungen. Andere bleiben ungenutzt - so wie vielfach auch Ansichten der Lehre.
Schock 1 folgt der Gleichstellung solch gut gemeinter Werke mit Gesetzen. Schock 2 ist stärker. Der erste Ansatz für Antworten zum US-Recht ist fast immer die Rechtsprechung. Auch sie entwickelt mehr als 50 Rechtsordnungen in den USA weiter - meist mit größerem Einfluss als die Gesetzgeber. Nichts ist für den Studenten des US-Rechts daher wichtiger als das intensive Lesen von Urteilen. In drei Stunden Vorbereitung für jede Klassenstunde, in der Gesetze oft gar nicht zur Sprache kommen.
Das macht hoffentlich manchem Leser verständlich, warum das German American Law Journal das amerikanische Recht primär anhand von Urteilen erörtert und auf sie zum vertieften Lesen verlinkt. Ohne sie versteht man fast gar nichts vom US-Recht.