Kapitel 1: Common Law
Teil 1: Der Reitende Richter
Teil 2: Case Law plus
Kapitel 2: Equity
Kapitel 3: Recht undurchsichtig
Kapitel 4: Die Hexe und der
Handelsreisende
Kapitel 5: Das englische Recht
landet in Amerika
Teil 1: Von Kolonien zum
machtlosen Bund
Engländer und andere kamen in die USA, anfangs weit zerstreut. In Jamestown in Virginia gab es eine Kolonie, die von der am Plymouth Rock bei Boston keine Ahnung hatte. Spanier besiedelten Florida und das heutige Kalifornien, Franzosen, Deutsche und Holländer andere Teile des Landes, aus denen später die Vereinigten Staaten von Amerika zusammenwuchsen. Überallhin brachten die Siedler ihre eigenen Vorstellungen von Zivilisation, Verwaltung und Recht. Schnell passten sie diese den vorgefundenen Gegebenheiten an und entwickelten das Recht weiter - ohne Rücksicht auf und Kenntnis von anderen Kolonien.
Als die dreizehn englischen Kolonien ihre Unabhängigkeit von England erklärten und die Vereinigten Staaten ausriefen, hatten sie bereits eigene Gerichtsverfassungen und Rechtsordnungen entwickelt, die nicht mehr identisch mit den englischen waren. Vor allem wirtschafts- und religionspolitisch hatten sich an verschiedenen Orten unterschiedliche Schwerpunkte herausgebildet.
Der Entwurf einer Verfassung für die neu-vereinigten Staaten war deshalb von vielen unterschiedlichen Vorstellungen beeinflusst. Wie die einzelnen europäischen Staaten heute in Brüssel, Straßburg und Luxemburg um das beste Recht für Europa ringen, stritten die Kolonien um das beste Recht für die USA. Die Verfassung stellt einen Kompromiss dar, der schnell erarbeitet werden musste. Deshalb haben die USA eine Constitution sowie die ergänzenden Amendments, die in der Bill of Rights Grundrechte garantieren.
Das Grundkonzept der Verfassung lautet: Alle Macht den Staaten, den einzelnen! Vertrags-, Straf-, Verwaltungs-, Arbeits-, Prozess-, Beweis- und sonstiges Recht bleiben den einzelnen Staaten vorbehalten. Der Bund darf es nicht regeln.
Der Bund darf Recht für die Bundesverwaltung, die Außenbeziehungen, den Zoll, die Verteidigung nach außen und ein wenig mehr schaffen, aber aus allem anderen hat er sich herauszuhalten.
Über die Grundrechtsgarantien der Verfassung übt er jedoch einen gewissen Einfluss aus, der einzelstaatliche Rechtsexzesse vermeiden soll, die wir in Kapitel 4: Die Hexe und der Handelsreisende kennengelernt haben. Erst nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 erstritt sich der Bund mehr Kompetenzen, die ihm der Supreme Court fast zehn Jahre später widerwillig gewährte. Seither stehen in Washington die zahlreichen neoklassischen Ministerialgebäude an der Constitution Avenue und Independence Avenue sowie zwischen Kongress und Weißem Haus.
Ansonsten einigten sich die Verfassungsgeber wegweisend darauf, dass im Bund drei Gewalten herrschen: die Legislative des Kongresses mit zwei Häusern, Senat und Repräsentanten, die Exekutive mit dem Präsidenten, und die Judikative des Supreme Court. Der Supreme Court riss schnell die in der Verfassung ungeklärte Zuständigkeit an sich, Streitfragen zwischen den beiden anderen Gewalten zu entscheiden.
Zum Teil 2: Gerichtsbarkeiten an jeder Ecke