• • Anforderungen an Fotorechtsverletzungsklage • • Verwechselbarkeitsmerkmale im Markenrecht • • Herstellerhaftung nach FBI-Telefondurchsuchung • • Zwang zur Gleichbehandlung verfassungswidrig • • Buch im Eigenverlag von Bestseller plagiiert • • Grenzkontrolle auf digitales Schmuggelgut • • Anfechtung der Online-Haftungsimmunität • • Zession des Urheberrechts nach 35 Jahren beendet • • Neueste Urteile USA

Mittwoch, den 29. Juni 2016

Speak Free Act: meinungsfrei oder mundtot  

.   Eingriffe in die Meinungsfreiheit durch Prozesse sol­len die An­ti-SLAPP-Ge­set­ze zahl­rei­cher US-Staaten verhindern, indem bei­spiels­weise bei Ver­leum­dungs­klagen zu­erst der Schutz dieses Grund­rechts geprüft, bevor das Verfah­ren weiter­gehen darf. Am 22. Juni 2016 fand eine An­hö­rung zur bundes­weiten Er­streckung unter dem Titel Speak Free Act im Kon­gress statt.

Stellungnahmen aus der Lehre und Privatwirtschaft lassen ebenso wie Er­fah­run­gen aus Pro­zes­sen in Sta­aten mit sol­chen Ge­set­zen er­ken­nen, dass das hehre Ziel des Schut­zes der Rede- und Mei­nungs­frei­heit oft fehl­schlägt. Statt zur schnel­leren Bestä­tigung eines Grund­rechts­schutzes für eine klage­gerügte Aus­sage löst das Vor­ver­fahren, das direkt zur Revision berech­tigt, oft län­gere, kompli­zierte und damit teu­rere Prozesse aus. Ge­rich­te bekla­gen den Miss­brauch der An­ti-SLAPP-Ein­rede.

Sie soll Strategic Lawsuits Against Public Participation ver­hin­dern: Der Bür­ger soll seine Mei­nung ohne die Be­fürch­tung kund­geben dür­fen, gleich in einen teu­ren Pro­zess ver­wickelt zu wer­den. Ein Jura-Pro­fes­sor klärte den Kon­gress mit einer lesens­werten Stel­lung­nahme Prepared Statement of Alexander A. Reinert über die­sen Miss­brauch auf, den das ge­plante Bun­des­ge­setz ex­plo­die­ren las­sen dürf­te. Der Bund mi­sche sich ohne kon­krete Ver­fas­sungs­grund­lage in Pro­zess- und Re­ge­lungs­kom­pe­ten­zen der Ein­zel­staa­ten ein, und das Ge­setz he­bele durch schlam­pige Defi­niti­onen und zu weit ge­hende For­mu­lie­run­gen nahe­zu alle Möglichkeiten aus, gegen Ange­legen­hei­ten öffentlichen In­ter­es­ses Stel­lung zu bezie­hen. Damit kann es das Gegen­teil der in An­ti-SLAPP-Geset­zen be­zweck­ten herbeiführen und das Volk mund­tot machen.


Dienstag, den 28. Juni 2016

Dumme dürfen sich selbst verteidigen  

.   Das Recht des Bürgers, sich selbst im Strafprozess zu verteidi­gen, ist unan­tast­bar, er­klärt die Begründung im Fall Imani v. Pollard am 22. Juni 2016. Aus­nah­men gelten für geistig Schwache oder Kranke, aber Dumm­heit allein reicht nach dem sech­sten Verfas­sungs­zusatz nicht für die er­zwun­gene Bei­ord­nung eines Ver­teidi­gers, erfährt der Leser vom Bundes­berufungs­gericht des sieb­ten Bezirks der USA in Chicago.

Das Strafgericht hatte dem Angeklagten den Wunsch ab­geschla­gen, seinen Ver­tei­diger zu ent­lassen, obwohl er sich mit der Erfah­rung aus fünf frü­heren Straf­prozessen und einer zehnjäh­rigen Schul­aus­bildung für eine Selbst­ver­teidi­gung geeig­net hielt, auch wenn es ihm an Elo­quenz mangele. Nach seiner Verur­tei­lung griff er in den einzel­staat­lichen Gerich­ten seinen Verfas­sungs­anspruch erfolglos auf.

Im bundesrechtlichen Habeas Corpus-Verfahren war er schließlich erfolg­reich. Schul­aus­bil­dung und Prozess­erfah­rung sind nicht die Merkmale, die für Aus­nahmen vom Grund­recht sprechen. Das Straf­gericht hätte die geis­tige Kompe­tenz klären müssen. Da es sich nicht an den vom Supreme Court in Washington, DC, vor­gege­benen Merk­malen orien­tierte, befiehlt das Revi­sions­gericht nun die alsbal­dige Frei­lassung des Verur­teilten oder die Neu­ver­hand­lung der Anklage.


Montag, den 27. Juni 2016

EMailbeweis misslungen, doch weitere EMail beweisgeeignet  

.   Mit zwei EMails geht eine Seite eines Vergleichs in die Revision, als ihr das gewünschte Urteil über die Höhe eines Vertragsschadens verwehrt wird. Der Revisionsbeschluss vom 21. Juni 2016 in New World Trading v. 2 Feet Productions erörtert kurz, dass das Revisionsgericht die unter­gericht­liche Würdigung einer EMail als Hörensagenbeweis nicht weiter nachprüft, da das Untergericht einen weiten Ermessensspielraum genießt und den Tatsachen näher stand als es selbst. Hörensagenverbote unterliegen zahlreichen Aus­nahmen, und im Untergericht hatte sich die den Beweis vorlegende Anwältin auf eine Ausnahme berufen, die sie dann aufgab. Eine Revisionsrüge ist danach nicht zulässig.

Das Bundesberufungsgericht des zweiten Bezirks der USA erklärte jedoch nicht EMail als Beweis unzulässig. Im Gegenteil, es nahm eine weitere EMail zur Kenntnis, die das Untergericht scheinbar übersehen hatte und das Ergebnis, eine Schadensersatzzumessung, verändern kann. Daher verwarf es die Revision zur ersten EMail und gab wegen der zweiten dem Untergericht auf, seine Ent­scheidung zu überdenken und den Schadensersatz entsprechend anzupassen.


Sonntag, den 26. Juni 2016

Schlichter ungleich behandelt - Richter kein Schwein  

.   Ein Richter ist kein Schwein, das zur Suche nach Trüffeln im Partei­vortrag gezwungen werden darf; andererseits ist er keine Topf­pflan­ze - er darf heran­ziehen, was er für wich­tig hält, er­klär­te Bun­des­rich­ter Ba­tes am 23. Juni 2016 in seiner Be­schluss­be­grün­dung in Parker v. Hoglander nach einem miss­glück­ten Par­tei­vor­trag, der bei­nahe die Dis­kri­mi­nie­rungs­klage eines Schlich­ters gegen ein Bundes­amt im Schlüs­sig­keits­ver­fah­ren ent­gleiste; aaO 8.

Der Kläger hatte ein Stellenange­bot als Schlich­ter vom National Mediation Board erhalten, das dieses zurück­zog, als der Klä­ger einen spä­teren Dienst­an­tritt wünsch­te. Nach der Auf­fas­sung des Klä­gers wurde einem weißen und jün­geren Kan­di­da­ten der­selbe Wunsch nicht ab­ge­schlagen. Als schwar­zer Vier­und­sech­zig­jäh­riger hielt er sich für un­gleich be­han­delt. Das be­klag­te Amt be­rief sich auf einen nicht­dis­kri­mi­nie­ren­den Grund für den An­gebots­ent­zug: Der An­tritts­ter­min war or­ga­ni­sa­to­risch un­ver­rückbar.

Die Rich­tig­keit bei­der Auf­fas­sun­gen kann der Rich­ter nicht bezweifeln. Es sind al­so Tat­sa­chen­fra­gen zu klären, die in die Zu­stän­dig­keit der Geschwo­renen fallen. Vor der Vor­lage der Be­wei­se an die Jury er­öff­net das Bundes­gericht der Haupt­stadt nun den Par­teien mit seinem Be­schluss den Weg zum Be­weis­aus­for­schungs­ver­fah­ren, Discovery, in dem beide Unter­lagen von der Gegen­seite so­wie Par­tei­en und Zeu­gen ver­neh­men dürfen.


Samstag, den 25. Juni 2016

Weine: Verwechslungsgefahr im US-Markenrecht  

.   Wegen einer Likelihood of Confusion im Verhältnis zu einer eingetragenen Marke kann ein Markenantrag abgewiesen werden. Der am 24. Juni 2016 entschiedene Fall Oakville Hills Cellar Inc. v. Georgallis Holdings LLC betrifft die Verwechslungsgefahr von Maya und Mayari von zwei Weinanbietern, als das Sondergericht für Bundesmarkenrecht in Washington, DC die zu prüfenden Merkmale nach dem Schlüssel­prä­ze­denz­fall DuPont de Nemours zusammenfasste:
The parties argued, and the Board evaluated, the following DuPont factors:
(1) the similarity or dissimilarity of the marks in their entireties as to appearance, sound, connotation, and commercial impression …;
(2) the similarity or dissimilarity of the goods as described in an application or registration or in connection with which a prior mark is in use …;
(3) the similarity or dissimilarity of trade channels …;
(4) the conditions under which and buyers to whom sales are made …;
(5) the fame of the prior mark;
(6) similar marks in use on similar goods …;
(7) the absence of actual confusion;
(8) the right to exclude others from use;
(9) the extent of potential confusion; and
(10) other probative facts, here, federal labelling requirements applicable to wine. … In re E.I. DuPont de Nemours & Co., 476 F.2d 1357, 1361 (CCPA 1973)(listing factors relevant to the likelihood of confusion determination).
Der Inhaber der zuerst eingetragenen Marke ging gegen die nachfolgenden Markenantrag vor, doch das Bundesmarkenamt wies seinen Einspruch ab. Der United States Court of Appeals for the Federal Circuit am Weißen Haus be­stä­tigte das Amt mit seiner lesenswerten Analyse von elf Seiten. Es stimm­te ihm auch zu, dass das Amt nicht auf einen einzigen Faktor abstellen muss, sondern die Gesamtheit aller Prüfmerkmale abwägen darf.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.