Wie lässt es sich erklären, dass die USA im Jahre 2000 bei 78% der deutschen Bevölkerung beliebt waren, mittlerweile aber lediglich noch bei 45% und während des Irakkrieges gar nur bei 25%? Was sind die Gemeinsamkeiten und Ursachen für Anti-Amerikanismus bzw. Anti-Semitismus? Und wo ist die Grenze zu berechtigter Kritik an den betreffenden Regierungen zu ziehen? Mit diesen Fragestellungen eröffnete Dr. Dieter Dettke als Direktor der Stiftung in Washington die gut besuchte Veranstaltung.
Den aktuellen Ausgangspunkt beider Phänomene im Westen sieht Prof. Detlev Claussen in der speziellen europäischen Erfahrung des Einbrechens der Barbarei in die Kultur, die im 20. Jahrhundert verschiedene Länder Europas heimsuchte. Diese Erfahrung führe dazu, dass insbesondere das Verhältnis zu den USA ambivalent sei. Auf der einen Seite seien es die USA gewesen, die Europa nach dem 2. Weltkrieg befreit hätten, auf der anderen Seite sei aber auch eine Hilflosigkeit gegenüber der Macht der USA vorhanden.
Adorno - selbst geprägt von Nazi-Regime - sah, so Prof. Jeffrey Herf, im Anti-Semitismus eine paranoide Projektion der eigenen Ängste. Den Weg, um die Barbarei zu überwinden, habe er in einer Stärkung des Individuums und einer besseren Erziehung gesehen. Anknüpfend an Claussen beschrieb Herf, dass aus den Erfahrungen der Kriege unterschiedliche Schlüsse gezogen worden seien. Während in Europa die Lektion "nie wieder" hieß und sich die Einsicht durchgesetzt habe, dass Krieg kein Mittel zur Beilegung von Konflikten sei, herrsche in den USA und Israel die Auffassung, dass derjenige, der sich nicht verteidigen könne, bedroht sei.
Prof. Jeffrey Peck näherte sich dem Thema von einem mehr politikwissenschaftlichen Blickwinkel. Gemeinsamkeiten sieht er zwischen Anti-Semitismus und Anti-Amerikanismus darin, dass beide den Modernismus kritisieren und Kolonialisation sowie Globalisierung ebenso ablehnen wie die Polarität politischer Beziehungen. Das verstärkte Auftreten beider Phänomene führt er nicht zuletzt auf die Rezeption der gegenwärtigen Nahostpolitik und des Terrors sowie das Bestehen von "Verschwörungstheorien" zurück, nach denen eine kleine Gruppe von Juden die Welt regiere und die USA und Israel "Schuld am Übel der Welt" seien. Ohne dies explizit zu sagen, schlug er hier die Kurve zu Adorno.
Auch Peck sieht - worin eine weitere Anknüpfung an Adorno deutlich wird - eine Möglichkeit der Verhinderung von Anti-Tendenzen darin, die Erziehung zu verbessern, die Darstellung differenzierter zu gestalten, und Stereotypen zu vermeiden. Hierbei spielten die Medien eine herausragende und nicht zu unterschätzende Rolle, da die Berichterstattung simplifizierend sei.
Auch in der anschliessenden angeregten Diskussion bestand Einigkeit darin, dass die Bedeutung von Austauschprogrammen auf verschiedenen Ebenen nicht genug betont werden könne.