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Dienstag, den 07. März 2006

8 Mal Post - unzuständig  

HF - Washington.   Im deutsch-amerikanischen Fall Micropicture International, Inc. v. Joseph A. Kickartz et al., Az. 3:05-CV-00034, hatte das erstinstanzliche Bundesgericht für den westlichen Bezirk von Virginia über seine Zuständigkeit, personal jurisdiction, zu entscheiden, nachdem die Beklagten, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in Deutschland ansässig sind, sich auf die Unzuständigkeit des Gerichts berufen hatten.

An der Klägerin, einer Gesellschaft mit Sitz im Staat Virginia, sind die Beklagten als Minderheitsgesellschafter beteiligt. Sie hatten ein deutsches Patent für ein von ihnen erfundenes Mikrofichegerät erhalten und im Mai 2003 auf eine deutsche GmbH übertragen, deren Alleingesellschafterin die Klägerin ist. Die Klägerin war gegründet worden, um die Produktion und Entwicklung des Microfichegeräts auszuweiten.

Im März 2005 hatte die Klägerin unter anderem wegen behaupteter deliktischer Rufschädigung durch die Beklagten Klage eingereicht. Die Klage war den Beklagten zugestellt geworden. Diese hatten sich auf die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts berufen. Die Klägerin hatte das Gericht unter Berufung auf den zwischen ihr und den Beklagten regelmäßig geführten Schriftverkehr für zuständig gehalten.

Das Gericht sah den der Klägerin obliegenden Nachweis der Zuständigkeit des Gerichts als nicht erbracht an. Nach §8.01-328.1(A)(4) des Gesetzbuchs von Virginia ist das Gericht für einen im Staat eingetretenen deliktischen Verletzungserfolg, verursacht durch eine Handlung oder ein Unterlassen außerhalb Virginias, dann zuständig, wenn zwischen dem Handelnden und Virginia eine Beziehung in der in §8.01-328.1(A)(4) des Gesetzes von Virginia genannten Art und Weise besteht. Die Klägerin begründete die Zuständigkeit des Gerichts von Virginia damit, dass die Beklagten aufgrund des zwischen der Klägerin und den Beklagten geführten regelmäßigen Email-Verkehrs in einen beständigen Verhaltensablauf, persistent Course of Conduct, in Virginia involviert seien.

Dieser Begründung folgte das Gericht nicht. Vielmehr legte es den unbestimmten Rechtsbegriff des persistent Course of Conduct unter Bezugnahme auf andere Gerichtsentscheidungen dahingehend aus, dass fortlaufende, andauernde Wechselbeziehungen jedweder Art des Handelnden mit dem betreffenden Staat vorliegen müssen.

Die von den Beklagten von Deutschland nach Virginia gesendeten und in Virginia geöffneten insgesamt sieben Emails und einen Brief bezeichnete das Gericht als nur sporadisch und nicht beständig. Eine Regelmäßigkeit sei schon deshalb nicht feststellbar, weil fünf der Emails im Juli 2004 und zwei der Emails im Dezember 2004 versendet wurden. Ferner berücksichtigte das Gericht auch den Inhalt der Emails. Dieser bestand darin, dass die Beklagten der Klägerin Beschwerden vortrugen. Damit dienten die Emails gerade nicht dazu, irgendeine Art fortdauernder Präsenz der Beklagten in Virginia zu begründen oder zu unterhalten. Das Gericht stellte weiter fest, dass die Emails nur deshalb in Virginia geöffnet wurden, weil die Klägerin den Sitz ihres Unternehmens von New York nach Virginia verlegt hatte, sie also sonst darauf gerichtet gewesen wären, in New York geöffnet zu werden. Eine hinreichende Beziehung der Beklagten zu Virginia konnte daher nicht festgestellt werden.

Die Entscheidung ist begrüßenswert, weil sie belegt, dass amerikanische Gerichte sich erstens nicht um jede an den Haaren herbeigezogene Sache reißen - und gerade bei deliktischen Ansprüchen trotz eines Vertragsverhältnisses drängt sich oft diese Vermutung auf - und zweitens den Kontakt einer nicht im Forumsstaat ansässigen Person zum Forumsstaat Internet-gerecht bewerten.


Dienstag, den 07. März 2006

Als unpassend verwiesen  

.   Nach dem Forum non conveniens-Grundsatz kann eine Klage trotz bestehender Zuständigkeit des angerufenen Gerichts an ein anderes Gericht verwiesen werden. Nach Deutschland erfolgt die Verweisung aufgrund des Urteils des Bundesberufungsgerichts des Bundesbezirks in Sachen Dr. Tassilo Bonzel v. Pfizer, Inc., Boston Scientific Scimed, Inc. et al., Az. 05-1114, am 2. März 2006.

Das besondere Berufungsgericht mit landesweiter Zuständigkeit und Sitz in Washington bestätigte die untergerichtliche Entscheidung auch in dem Punkt, dass die Klage erneut in den USA verhandelt werden kann, wenn sich kein deutsches Gericht für zuständig erklären sollte.

Der Sachverhalt betrifft ein Patent des deutschen Klägers, das er an die schweizer Firma Schneider AG mit einem deutschsprachigen und dem deutschen Recht unterworfenen Vertrag exklusiv lizensierte. Als Schneider AG an eine US-Firma verkauft wurde, machte der Kläger einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer ebenfalls auf deutsch vereinbarten und dem deutschen Recht unterliegenden Zusatzbestimmung zum Vertrag geltend, welcher im Verfahren zunächst als Vertragsverletzungsanspruch behauptet wurde.

Gründe für die Verweisung finden sich im mangelnden Fakten- und Beweismittelbezug zu den angerufenen US-Gerichten sowie der Anwendbarkeit deutschen Rechts, die das Gericht ausführlich erörtert. Der Hinweis des Klägers auf den freien Zugang zu US-Gerichten aufgrund Art. VI Freundschaftsvertrag vom 29. Oktober 1954 greift nicht, weil keine Ungleichbehandlung eines Ausländers erfolgt, denn auch amerikanische Kläger unterfallen dem Forum non conveniens-Prinzip.

Die vom Kläger nach der Verweisung aufgegriffene Frage der Anwendung des US-Patentrechts auf den Sachverhalt darf nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da er zum Zeitpunkt der Verweisung bereits ausdrücklich auf seine Rechte nichtvertraglicher Art verzichtet hatte und insofern das Prinzip judicial Estoppel greift. Im Hinblick auf etwaige Verjährungsfristen verpflichtete das Gericht die Beklagten, trotz der Verweisung den Kläger so zu stellen, dass er durch die Verweisung keinen Nachteil erleidet.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.