CHS - Washington. Wenn das
CATO Institute, einer der profiliertesten
Think Tanks Amerikas, zu einer Buchpräsentation einlädt, darf man geschliffene Rhetorik und pointierte Standpunkte erwarten. Wenn das Institut vier Wochen vor den amerikanischen Kongresswahlen und zwei Tage nach dem ersten nordkoreanischen Atomtest ein Buch mit dem Titel
Ethical Realism. A Vision for America's Role in the World vorstellt, erhält die Veranstaltung besondere Brisanz.
Schon in den ersten Minuten, in denen die Autoren Anatol Lieven und John Hulsman über ihr Thema sprechen, wird klar, dass sie die Außenpolitik der jetzigen amerikanischen Regierung für gescheitert halten. Nach den Terrorattacken des 11. September habe Amerika die Sympathien der ganzen Welt auf seiner Seite gehabt. Seit dem Angriff auf den Irak seien jedoch Ansehen, Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten der US-Politik in einem zuvor nicht gekannten Ausmaß gesunken. Alle Krisenherde der Erde, vom Libanon über den Iran bis hin zu Nordkorea, hätten sich aus amerikanischer Perspektive verschlechtert. Selbst alte Verbündete in Europa gingen auf Distanz.
Der einseitigen, als neoliberal etikettierten gegenwärtigen Politik setzen die Autoren einen Regierungsstil entgegen, den sie als ethischen Realismus bezeichnen. Sie empfehlen der Politik, an den Verhandlungstisch mit den rogue States zurückkehren und die momentane unilaterale Außenpolitik aufzugeben. Allein auf Kriegsführung zu setzen, helfe nicht weiter, sondern untergrabe die Attraktivität des Westens. Stattdessen müsse neben der Anerkennung fremder Patriotismen vor allem auf freien Handel und den Erfolg des great capitalist Peace gesetzt werden. Anders als das Weiße Haus hätten jedenfalls die Strategen von Al Quaida erkannt, wann sich für einen Selbstmordattentäter ein Anschlag lohne: wenn er für sein Leben und sein Land keine bessere Alternative sehe.