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Donnerstag, den 15. März 2007

Ratlos im Datenschutz  

.   Selbst die USA fordern Datenschutz. Er beschränkt sich bundesrechtlich jedoch auf ausgewiesene Wirtschaftszweige und die amtliche Datenerfassung.

Klaffende Lücken öffnen zahlreiche Wege, um legal oder halblegal an Daten heranzukommen, die zwar unter bestimmten Umständen geschützt sind, doch nach anderen Regeln für jedermann zugreifbar sind. Auf die Lücken bauen neue Dienste, beispielsweise der Einzelhandelsverkauf von EMailanschriften an jeden, der alte Kontakte auffrischen möchte.

Die Furcht vor strengen und umfassenden Datenschutzgesetzen wird teilweise durch bestehende Regelungen mit drakonischen Sanktionen geschürt. Im Gesundheits-, Finanz- und Telekommunikationswesen gelten so komplexe Regeln, dass sie Verwirrung schaffen. Selbst Vorstände, die auf zuverlässigen Rechtsrat zugreifen können, glauben naiv, Zugriff auf geschützte Daten nehmen zu können, und finden sich plötzlich angeklagt und vorbestraft wieder, wie am 14. März 2007 die Ex-HP-Chefin Dunn.

Problematisch sind auch die unternehmensinternen Umsetzungen des Rechts. Aus Furcht vor Strafen werden sie oft zu restriktiv umgesetzt. Ohne beispielsweise den vom Gesetzgeber eingeräumten Spielraum für Gesundheitsdaten nach dem HIPAA-Gesetz zu nutzen, führen interne Richtlinien und Technik-Verbote zu Vorurteilen gegen eine Ausdehnung des Datenschutzes.

So ist es bei der derzeitigen Rechtslage fast ein Wunder, dass Internet-Unternehmen wie beispielsweise der Gratis-SMS-Dienst Gizmo SMS freiwillig auf Datenerhebungen verzichtet. Andererseits wundert es nicht, dass die breite Öffentlichkeit kein Interesse an einem übergreifenden Datenschutz entwickelt.


Donnerstag, den 15. März 2007

Marihuana oder Bertelsmann?  

.   Auf Marihuana als Medikament fällt am 14. März 2007 das Rampenlicht im Bundesberufungsgericht des neunten Bezirks. In Sachen Raich v. Gonzales, Az. 03-15481, bestätigte das Gericht die Ermächtigung des Bundes, auch auf Todgeweihte sein Strafrecht anzuwenden, die sich mit verbotenem Marihuana zu retten versuchen. Wichtiger für Juristen ist allerdings sein Urteil in Sachen In re: Napster Inc. Copyright Litigation; UMG Recording, Inc. et al. v. Bertelsmann AG et al., Az. 06-15885.

Die Rechtsfrage betrifft die Aufhebung des in Rule 501 Federal Rules of Evidence geschützten Anwaltsgeheimnisses. Konkret geht es um die Anordnung eines Zivilgerichts zu seiner Aufhebung aufgrund einer behaupteten Betrugsausnahme, Crime-Fraud Exception. Die die Aufhebung beantragende Partei im Ausforschungsbeweisverfahren muss den überwiegenden Beweis erbringen, dass die Ausnahme greift. Die sich auf das Anwaltsgeheimnis berufende Partei muss Gelegenheit erhalten, Beweis für die Relevanz der über die Ausnahme angestrebten Informationen zu erbringen.

Beim vorliegenden Sachverhalt im Insolvenzverfahren von Napster hielten die Kläger anwaltliche Informationen über eine Kapitalspritze von Bertelsmann für relevant. Die Ausnahme vom Anwaltsgeheimnis bildet nach ihrer Darstellung die zivilrechtliche betrügerische Täuschung nach §§1709-10 California Civil Code.

Bertelsmanns Anwälte sollen die Kapitalspritze betrügerisch als Darlehen strukturiert haben, während Bertelsmann in Wirklichkeit eine Kapitalinvestition anstrebte. Zum Beweis beriefen sich die Kläger auf Informationen aus dem Discovery-Verfahren, die das Untergericht so überzeugten, dass es die Aufhebung des Anwaltsgeheimnisses verfügte und Bertelsmann zwang, die Anwaltskorrespondenz über das Darlehn den Klägern offenzulegen.

Der United States Court of Appeals for the Ninth Circuit entschied jedoch anhand der genannten Beweisgrundsätze, dass die Kläger keinen hinreichenden Beweis für die Anwendbarkeit der Betrugsausnahme erbracht hatten. Eine geheime, in der Anwaltskorrespondenz versteckte Firmenübernahme sei nicht erkennbar. Hingegen sei bewiesen, dass Bertelsmann Risiken verringern wollte.

Der rechtsanwaltliche Beitrag zu diesem Ziel stelle jedoch keinen Betrug dar. Wenn die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Risikominderung als zivilrechtlicher Betrug gälte, wäre das Anwaltsgeheimnis nahezu wertlos, weil es fast immer durchlöchert werden könnte. Fast die Hälfte der 35-seitigen Urteilsbegründung ist der Erörterung des Anwaltsgeheimnisses im amerikanischen Zivilprozess und seiner Durchbrechung gewidmet.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.