FK - Washington. In einer vielbeachteten Entscheidung vom 19. Juni 2008 in der Sache
Indiana v. Ahmad Edwards, Az. 07-208, hat der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten zu den Rechten des Beschuldigten im Strafprozess Stellung bezogen. Zu entscheiden war der Fall eines in Indiana wegen versuchten Mordes angeklagten Mannes, den das Tatgericht zwar für voll verfahrensfähig erachtet, ihm aber wegen seiner Schizophrenie einen Rechtsbeistand beigeordnet hatte. Der vom Angeklagten angerufene oberste Gerichtshof des Staates Indiana, der
Indiana Supreme Court, sah hierin einen Verstoß gegen den
sechsten Verfassungszusatz zur Bundesverfassung, der nach herkömmlicher Lesart die persönliche Verteidigung umfassend garantiert. Nach dem mehrheitlichen Willen der höchsten Bundesrichter wird ein Strafgericht künftig nach eigenem Ermessen einen Rechtsbeistand beiordnen können, wenn es den Beschuldigten für unfähig hält, die eigene Verteidigung sachgerecht zu betreiben.
Die Frage der eigenen Verteidigung im Verfahren, urteilten die Richter, müsse von der Frage der grundsätzlichen Verfahrensfähigkeit gänzlich abgekoppelt werden. In früheren Entscheidungen hatte sich das Gericht zu der hier maßgeblichen Frage nicht geäußert: In den Urteilen
Dusky v. United States, 362 US 402, und
Drope v. Missouri, 420 US 162, hatte es zwar festgestellt, dass jeder Angeklagte geistig in der Lage sein muss, dem Verfahren zu folgen; die Frage des Rechts auf Verteidigung aber wurde darin nicht berührt. Nicht gebunden sah sich das Gericht ferner an die Entscheidungen in
Faretta v. California, 422 US 806, sowie
Godinez v. Moran, 509 US 389, denn auch hierin werde das Recht auf persönliche Verteidigung keineswegs vorbehaltlos zugesprochen.
Entschieden wenden sich die Richter gegen den Einwand, die Würde des Angeklagten sei durch den aufgedrängten Rechtsbeistand bedroht:
[A] right of self-representation at trial will not affirm the dignity of a defendant who lacks the mental capacity to conduct his defence without the assistance of counsel. … To the contrary, given that defendant's uncertain mental state, the spectacle that could well result from his self-representation at trial is at least as likely to prove humiliating as ennobling.
Deutlichen Widerspruch gegen die Mehrheitsmeinung äußerte - wenig überraschend - Richter Scalia in seinem auch von Richter Thomas unterstützten Minderheitsvotum: Dem Staat sei es angesichts der universalen Garantie des sechsten Verfassungszusatzes verwehrt, den Angeklagten aus Fürsorgeerwägungen zu bevormunden.