Alle sterben: Fachbegriffe im US-Erbrecht
CK • Washington. Emigrant oder Immigrant, Mann oder Frau, Lehrling oder Chef: Alle sterben. Auch wer Wirtschaftsrecht, Urheberrecht oder Compliance bearbeitet, sollte die dann wichtigen Fachbegriffe kennen, die bei der Nachlassabwicklung zwischen Deutschland und den USA oft Missverständnisse auslösen. Erster Trost: Auch Amerikaner reden aneinander vorbei und wissen, wie im Fall Hunter v. Pepsico Inc. vom 6. November 2015, nicht, wer beim Erbfall was tun darf.
1) Der Erblasser ist der Decedent.Dass der Erbe in den USA nicht in die Rechtsstellung des Erblassers tritt, sondern das Estate als Rechtskörperschaft, ist der wohl wichtigste Unterschied zum deutschen Recht. Der Abwickler ist folglich ein ganz normaler Vertreter und nimmt keine außergewöhnliche Rolle wie der Testamentsvollstrecker im deutschen Recht ein.
2) Die Erben sind die Heirs. Begünstigte sind Beneficiaries oder Legatees.
3) Der Nachlass ist das Estate, eine rechtlich selbständige Körperschaft, die kraft Gesetzes mit dem Tod entsteht und der Abwicklung von Soll and Haben, Assets und Liabilities, ähnlich einer GmbH i.L. bedarf.
4) Der Verwalter des Estate wird vom Nachlassgericht, meist Probate Court genannt, eingesetzt. Er oder sie heißen Administrator oder Administratrix, Executor oder Executix, und in manchen Staaten wie der Hauptstadt Washington einfach Personal Representative.
5) Einen Erbschein für Erben gibt es nicht, sondern den Letters of Administration für den Verwalter. Damit weist sich der Verwalter als Abwickler des Estate aus. Die Erben geht die Abwicklung im Grundsatz nichts an. Ihre Aufgabe besteht darin, gefundene Testamente dem Nachlassgericht vorzulegen.
6) Ein Erbe oder der Abwickler darf nicht selbst - pro se - vor Gericht auftreten, um Forderungen des Nachlasses einzutreiben, sondern muss, wie jede andere Körperschaft, durch einen Anwalt vertreten sein. Dies verkannte auch der Kläger im obigen Pepsi-Fall, aaO 3., der Forderungen seiner Uroma behauptete.
7) Der Abwickler treibt unter der Aufsicht des Probate Court die Forderungen des Nachlasses ein, begleicht seine Schulden, fertigt die Steuererklärungen für die Bundes-Estate Tax, die einzelstaatliche Inheritance Tax und etwaige Steuern im Ausland sowie Einnahmen des Nachlasses an und zahlt die Steuerschulden. Erst dann folgt die Erfüllung von Vermächtnissen als Bequests oder Legacies und schließlich die Verteilung des Überschusses an die Erben.
8) Das Nachlassgericht überwacht das gesamte Abwicklungsverfahren. Der Abwickler muss bei bestimmten Schritten die Zustimmung des Gerichts einholen. Wünsche der Erben muss er nicht berücksichtigen, wenn dies ein Testament nicht bestimmt.
9) Für grenzüberschreitende Nachlässe gelten weitere Anforderungen. Liegen in den USA Nachlassgegenstände außerhalb des Gerichtsstaats, also aus der Sicht des amerikanischen Rechts in einem foreign State, kann nach dem anderem einzelstaatlichen Recht ein ancillary Probate notwendig sein.
10) Im nichtamerikanischen Ausland, beispielsweise in Deutschland, kann ein gegenständlich beschränkter Erbschein oder ein beschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis einzuholen sein. Die deutschen Gerichte vertreten dabei unterschiedliche Auffassungen: manche erteilen dem Abwickler ein TVZ, andere einen Erbschein. In praktischer Hinsicht ist das egal, doch rechtlich gibt es feine IPR-Unterschiede. Deutsche IPR-Fachbücher stellen das Erbrecht der 56 Rechtskreise in den USA teils unzuverlässig, teils zu pauschal dar, und die Gerichte orientieren sich daran. Als Praktiker beantragt man, was dem ausstellenden Nachlassgericht richtig erscheint.