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Samstag, den 02. Jan. 2016

Verfassung deckt Tattoo als Rede  

.   Filme, Bücher, Musik, Gemälde und Reden genießen den Schutz der Redefreiheit. Ihre Schaffung und ihr Vertrieb dürfen vom Staat kaum einge­schränkt werden. Der Fall Buehrle v. City of Key West untersucht, ob auch der Betrieb von Täto­wierungs­läden diesem beson­deren Schutz unterliegt. In Key West unter­warf die Stadt solche Läden einem Numerus clausus, den ein Tattoo-Künstler anfocht, nachdem sie ihm eine Gewerbe­genehmigung versagte.

Das Bundesberufungsgericht des elften Bezirks der USA in Atlanta entschied am 29. Dezember 2015 gegen die Stadt. Zuerst erklärte es, dass das Verbot der Bundes­verfassung in den ersten und 14. Verfassungs­zusätzen für Täto­wierungen wie bei anderen künst­lerischen Entfal­tungen gilt. Die Verbote wenden sich gegen Schranken, die die Einzel­staaten der USA und ihre weiteren öffent­lichrecht­lichen Körper­schaften durch Gesetz oder Verordnung setzen.

Dann wandte es sich dem Grad der Schrankenstärke zu. Der Level of Scrutiny bestimmt nach höchst­gericht­licher Recht­sprechung den Prüf­maßstab. Bei Eingriffen in die gewerb­liche Rede­frei­heit ist der Prüfungs­grad weniger streng als bei privater Rede. Die Stadt sieht ein Tattoo als Rede an, doch sein Auf­bringen nicht. Das Gericht wies diese Differen­zierung zurück: The First Amendment protects the artist who paints a piece just as surely as it protects the gallery owner who displays it, the buyer who purchases it, and the people who view it. See Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479, 482 (1965).

Im zweiten Prüfschritt untersuchte der United States Court of Appeals for the Eleventh Circuit den städ­tischen Eingriff in das verfas­sungsgaran­tierte Recht: A municipality may regulate protected artistic expression only if the regulation (1) is justified without reference to the content of the regulated speech, (2) is narrowly tailored to serve a significant governmental interest, and (3) leaves open ample alternative channels for communication of the information. Die Beschluss­begründung erörtert lehr­reich das Ergeb­nis zugunsten des Betreibers.


Samstag, den 02. Jan. 2016

Schock: Unschuldsvermutung in den USA  

.   So stolz sind Amerikaner auf die Unschuldsvermutung in ihrem Strafrecht, dass sie meinen, im Ausland gälte guilty until proven inno­cent. Deutsche wundern sich hingegen, wie die Presse in die Herbei­führung einer Voreingenommenheit der Öffentlichkeit und der Geschworenen durch den Perp Walk eingebunden wird. Menschenwürde? Steht nicht in der US-Verfa­ssung, sondern höchstens und selten in einer einzelstaatlichen, wie der der Bundeshauptstadt Washington.

In Unschuldsvermutung und Presseberichterstattung in den USA geht Julia Blees dem provozierten Bias durch Perp Walk als Ausgangspunkt ihrer Betrach­tungen zur Unschuldsvermutung in den USA nach und gelangt zu einer er­nüch­ternden Feststellung. Trotz ihres Stolzes auf ein innocent until proven guilty werden Amerikaner nur durch eine beweisrechtliche Unschulds­ver­mutung geschützt. Was die deutsche Presse einer persönlichkeits­rechtlichen Haftung aussetzen würde, fordert die amerikanische Politik von der ihrigen.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.