Nachdem zuerst noch schnell einige andere Verfahren abgehandelt wurden und ein Sentencing erfolgte, erscheinen der Defendant, seine Verteidigerin und der Staatsanwalt. Der Angeklagte trägt wieder einen Anzug, diesmal sitzt die Krawatte von Anfang an, sodass die Jury den Gerichtssaal betreten kann.
Der erste Zeuge der Staatsanwaltschaft muss vor der Gerichtsdienerin einen Schwur ableisten, dass er die Wahrheit sagen wird, dann beginnt die Vernehmung. Lediglich bei zwei Fragen des Staatsanwalts an den Witness ruft die Verteidigerin: Objection! Die Richterin, die entscheiden muss, ob die Zurückweisung der Frage nach den komplizierten Rules of Evidence gerechtfertigt war, verwirft den Einspruch und fordert den Zeugen auf, die Frage zu beantworten. Nachdem beide Seiten - nicht die Richterin - ihre Fragen gestellt haben, wird der Zeuge aus dem Zeugenstand entlassen. Die aus deutschen Gerichtssälen nicht wegzudenkende Frage, ob dem Zeuge Reisekosten oder ein Verdienstausfall entstanden sind, stellt niemand.
Es folgt die Vernehmung des Opfers, ebenfalls eine Zeugin der Anklage. Das Opfer wirkt während der Befragung durch den Staatsanwalt unsicher und unwillig - es kann sich an viele Vorfälle nicht mehr erinnern. Zur Gedächtnisstütze muss ihm der Prosecutor immer wieder Polizeiberichte aushändigen. Dass er von der mangelnden Kooperation und lückenhaften Erinnerung des Victim genervt ist, zeigt er deutlich. Mehrmals dreht er sich zum Publikum um, verdreht die Augen und formt mit seinen Lippen die Worte What the Fuck. Dem Eindruck aus Film und Fernsehen, dass jede zweite Frage mit Einspruch, Euer Ehren bemängelt wird, wird die Realität nicht gerecht. Während der gesamten Vernehmung des Opfers lassen beide Seite alle Fragen zu.
Erstaunlicherweise wird der Privatsphäre des Opfers und dem Opferschutz keine große Bedeutung beigemessen. Mehrere 911-Calls des Opfers werden für alle Anwesenden gut hörbar abgespielt. Auf dem riesigen Flachbildfernseher laufen die Bilder des verletzten Opfers aus dem Krankenhaus. Die Inaugenscheinnahme von Bildmaterial ist in Deutschland der Richterin, dem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem Angeklagten vorbehalten. Die Zuschauer erhalten keinen Einblick. Im Superior Court konnte hingegen jeder Zuschauer die Verletzungen des Opfers begutachten. Niemand fragt, ob das Opfer in die öffentliche Darstellung einwilligt.
Insgesamt war der zweite Verhandlungstag wieder sehr interessant und ganz anders als der erste. Auch die deutlichen Unterschiede zum deutschen Strafprozess waren abermals deutlich zu erkennen.