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Donnerstag, den 24. Nov. 2016

Jury-Trial Tag 3: Noch mit Krawatte  

FU - Washington.   Der dritte Tag des Jury Trials beginnt mit der Sank­ti­o­nie­rung der Staats­an­waltschaft wegen einer Verletzung der Superior Court Rules of Cri­mi­nal Pro­cedure. Bei der Befragung einer Zeugin wollte der Prosecutor eine Notrufaufnahme abspielen. Den Notruf hatte er weder den Geschworenen noch der Verteidigung nach den Rules of Evidence vorgetragen. Die Jury darf ihn nicht zur Kenntnis nehmen.

Nach Befragung aller von der Staatsanwaltschaft und von der Verteidigung ge­stell­ten Zeugen endet die Beweisaufnahme; die Jury verlässt den Ge­richts­sa­al. Es folgt die Frage an den Angeklagten, ob er sich mit Rück­spra­che seiner Ver­tei­di­gung dafür ent­schieden habe, sich zu den Anklagepunkten, Counts of Indictment, zu äußern. Im Gegensatz zum deutschen Strafprozessrecht gilt im amerikanischen Strafprozessrecht der nemo tenetur-Grundsatz nicht. Sofern sich ein Angeklagter dafür entscheidet auszusagen, muss er sich auf die Zeu­gen­bank setzen und unter Eid, Oath, aus­sagen. Er macht sich somit wie je­der an­de­re Zeu­ge auch bei Falsch­aus­sa­gen strafbar. Wenn er sich nicht äußert, so belehrt ihn die Richterin, darf die Jury das Schweigen nicht gegen ihn deuten.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Verteidigung im Anschluss beantragt, eini­ge der An­kla­ge­punk­te wegen fehlender Beweisbarkeit zu streichen. Das ge­schieht, wenn die Verteidigung der Auffassung ist, dass die vernommenen Zeu­gen die Tatsachen nicht beyond a reasonable Doubt bewiesen haben.

Die 14 Juroren werden sodann für die Plädoyers, Closing Arguments von Staat und Verteidigung in den Gerichtssaal zurückgebeten und von der Richterin durch das Verlesen der Instructions daran erinnert, dass nur die Juroren die bewiesenen Tat­sachen bestimmen. Sie erklärt der Jury ausführlich, welche ver­schie­de­nen Be­weis­ar­ten existie­ren. So erläutert sie, dass es eine Un­ter­schei­dung zwischen direct Evi­dence und circumstancial Evidence gibt, mit einem Bei­spiel: direct Evidence liegt vor, wenn der Zeuge aussagt, dass es wäh­rend seiner Be­ob­ach­tung der Tat schneite. Erklärt der Zeuge hingegen, dass während der Be­ob­ach­tung Schnee auf dem Boden lag und er daher an­nimmt, dass es während der Nacht geschneit hat, dann beruht seine Ver­mu­tung auf circumstantial Evi­den­ce. Dabei stellt der Zeuge eigene Erwägungen an und folgert etwas aus den Um­stän­den.

Die Richterin belehrt die Jury auch, dass wegen Einspruchs zu­rück­ge­wie­se­ne Be­wei­se nicht in die Sub­sum­tion einfließen dürfen. Auch die Behand­lung der Sach­ver­stän­digenaussagen wurde erläutert. Danach trägt sie die ein­zel­nen Counts of In­dict­ment vor und definiert die Tat­be­stands­merk­ma­le der vor­ge­worfenen Straftaten.

Bevor sich die Jury zur Beratung, Deliberation, zurückzieht, werden zwei der 14 Juroren von der Beratung ausgeschlossen, darunter einer von nur drei männ­li­chen Ju­ro­ren, was mich überraschte. Ich hatte immer an­ge­nom­men, dass die Jury auch geschlechterausgeglichen sein muss - falsch! Da die Anklage auf Gewalttaten gegen eine Frau lautet, kann der Verlust von männlichen Ge­schwo­re­nen für den Defendant negativ wirken.

Ob die Zeit des Krawattentragens des Angeklagten nun endet und er bald wie­der die oran­ge­ne Gefängniskleidung tragen muss, wird das am Montag nach dem lan­gen Thanksgiving-Wochenende erwartete Verdict zeigen.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.