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Mittwoch, den 24. März 2021

US-Tochter feit vor Durchgriffshaftung

 

.   Die amerikanische Tochtergesellschaft einer schweizer Herstellerin versandte Telefaxwerbung an potentielle Kunden, und gegen beide Unternehmen ging ein Empfäger mit einer Sammelklage wegen des unerlaubten Versands nach dem Telephone Consumer Protection Act vor. Das Gericht wies die Klage gegen die Mutter materiell ab, und diese ging in die Revision mit dem Argument, auch der vom Kläger behauptete prozessuale Durchgriff aufgrund der Tochterkontakte zum Forumstaat sei rechtswidrig.

Eine Tochtergesellschaft wird in den USA zur Abwehr prozessualer wie materieller Gefahren eingerichtet. Nach dem Alter Ego-Grundsatz kann die Mutter prozessual in den USA greifbar werden, wenn auch keine sonstigen Zuständigkeitsmerkmale vorliegen. Materiell können die gegen die Tochter behaupteten Ansprüche gegen die Mutter durchsetzbar werden.

Die Tochter hatte gegen die Vertragspflicht zur Abklärung Werbung mit der Mutter verstoßen, was beiden zum Vorteil gereicht, weil der Fehler die Einflussnahme der Mutter beschränkt und die Entscheidungsfreiheit der Tochter belegt. Das Bundesberufungsgericht des Sechsten Bezirks der USA in Cincinatti gelangte im Fall Lyngaas v. Curaden AG am 24. März 2021 zum Schluss, dass die Merkmale des Alter Ego fehlen: first, the corporate entity must be a mere instrumentality of another; second, the corporate entity must be used to commit a fraud or wrong; and third, there must have been an unjust loss or injury to the plaintiff.

Die mere Instrumentality folge nicht automatisch aus einer Unterkapitalisierung der Tochter. Andere Merkmale wie die Beachtung gesellschaftsrechtlicher Formalitäten, der getrennten Buchführung und Finanzen seien beachtet worden, und Betrug sei den Firmen nicht vorzuwerfen. Eine gemeinsame Gläubigerschädigung komme grundsätzlich auch als Merkmal in Betracht und liege hier nicht vor.

Der Kläger hatte keinen Beweis erbracht, dass die Mutter die Entscheidungen der Tochter durch eigene ersetzt hätte, wie es beispielsweise bei Konzerndirektiven so schädlich ist. Das Gericht lehnt die Zuständigkeit nach diesem Grundsatz daher ab. Allerdings gelangt es mit weiteren Erwägungen zur Zuständigkeit nach normalen Prozessregeln; materiell gewinnt die Mutter, weil sie nicht in die Werbemaßnahme involviert war.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.