• • Deutsches Anwesen in USA erworben, Geld futsch • • Die Internet-Einrede wirkt beim Piracy-Vorwurf • • Geschäftsführerhaft wegen Markenverletzung • • Vertrauliche Veranstaltung vertragsgeschützt • • Souveräner Stamm im Bundesgericht • • Kein neutraler Gutachter notwendig • • Verfassungsrechtlicher roter Faden • • Darf Amtsträger Kommentare löschen? • • Neueste Urteile USA

Donnerstag, den 25. Aug. 2022

Presserecht auf Akteneinsicht: Anonymer Kläger

 
.   Im Revisionsentscheid Doe v. Massachusetts Institute of Technology wagt sich das Gericht an die Abwägung des Rechts von Presse und Öffentlichkeit auf Akteneinsicht gegen den Schutz der Privatsphäre von Klägern, denen bei einer Veröffentlichung schwere Rufnachteile drohen. Der Kläger reichte eine Klage gegen seine Uni unter einem Pseudonym ein, weil er sich von dem Vorwurf einer sexuellen Misshandlung befreien wollte. Monate nach einem Beischlaf hatte seine ehemalige Freundin die Handlung der Uni gemeldet und seinen Ausschluss aus der Uni bewirkt. Über die Abstimmung der Handlung war das Paar unterschiedlicher Auffassung.

Das Pseudonym solle Jahre später schwere Nachteile vermeiden, doch reichen diese aus der Sicht des Untergerichts nicht. Das Bundesberufungsgericht des Ersten Bezirks der USA in Boston vertiefte sich in die Rechtsprechung der anderen Revisionsgerichte, die alle eine Pseudonynm-Ausnahme bejahen. Es schloss sich ihnen an, weil kein Gesetz sie verbietet, während der Grundsatz des Einblicks der Öffentlichkeit in Gerichtsakten im Ersten Verfassungszusatz verbrieft ist. Es sei eine Ermessensabwägung vorzunehmen, für die die Revision am 24. August 2022 Leitplanken verankert.

An der einen Seite stünde die widerlegbare Vermutung der Öffentlichkeit von Prozessen. Vier Kriterien stehen an der anderen Seite, die die Revision detailliert ausführt und das Untergericht im weiteren Verfahren ermitteln muss:
A district court adjudicating a motion to proceed under a pseudonym should balance the interests asserted by the movant in favor of privacy against the public interest in transparency, taking all relevant circumstances into account. In most cases, the inquiry should focus upon the extent to which the facts align with one or more of the following paradigms: whether the case is one in which the movant reasonably fears that coming out of the shadows will cause him unusually severe physical or mental harm; whether the case is one in which compelled disclosure of the movant's name will likely lead to disclosure of a nonparty's identity, causing the latter substantial harm; whether the case is one in which compelled disclosure would likely deter, to an unacceptable degree, similarly situated individuals from litigating; or whether the federal suit is bound up with a prior proceeding subject by law to confidentiality protections and forcing disclosure of the party's identity would significantly impinge upon the interests served by keeping the prior proceeding confidential.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.