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Samstag, den 19. Nov. 2005

Im Internet erörtert: Vogelfrei  

.   Vogelfrei muss sich die Klägerin in Sachen Eliza Thomas v. Pamela Patton, Robert S. Schindler et al., Az. 16-2005-CA-003-XXXX-MA, vorkommen. Das einzelstaatliche Gericht fand, dass sie bei einer behaupteten Beleidung und dem Eingriff in die Privatsphäre weniger Rechte genießt, weil ihre Lage bereits vielfach im Internet erörtert wurde.

Die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts im Kreis Duval, Florida, vom 21. Oktober 2005 wird als fehlerhaft bezeichnet, da Frau Thomas sich nicht selbst dem öffentlichen Interesse aussetzte. Nur Personen des öffentlichen Interesses, so Schauspieler und Politiker, genießen den reduzierten Rechtsschutz. Sie müssen unter anderem das Tatbestandsmerkmal der Böswilligkeit beweisen. Das Gericht gab auch folgende grundlegenden Erklärungen zum anwendbaren Recht ab:

The press has no duty to go behind statements made at official proceedings and determine their accuracy before releasing them. ...

The reports also fall within, and are protected by, the neutral reporting privilege, because the reports are disinterested accounts of newsworthy information about matters of public concern. ...

As a matter of law, a report that a person will or has taken an action which that person has a legal right to take is not capable of defamatory meaning. ...

Inaccuracy by itself does not make a statement defamatory.
Selbst wenn die Klägerin nicht wegen der Internet-Diskussionen über sie und ihren Mann als öffentliche Person gegolten hätte, wäre die Klage vielleicht abgewiesen worden. Dennoch erscheint die Entscheidung bedenklich, da die Klägerin diesem Gerede lediglich ausgesetzt war und es weder einleitete noch erkennbar an ihm teilnahm.

Der vom Gericht zitierte Umstand, dass die Presse sie um eine Erklärung bat, was sie ablehnte, ist nicht ganz nachvollziehbar als Begründung für ihre Charakterisierung als Person mit Medienzugang, die auch wegen dieses Zugangs als Person des öffentlichen Interesses zu gelten hat. Aus Laiensicht scheint ihre Weigerung zu unterstreichen, dass die Klägerin das Rampenlicht vermeiden wollte.


Samstag, den 19. Nov. 2005

Hoffentlich nicht versichert ...  

SM - Washington.   Im Fall Azhar Ali Kahn, Asma Azhar Khan v. Parsons Global Services, Ltd., et al., Az. 04-7162, hatte das Bundesberufungsgericht im Hauptstadtbezirk in Washington, D.C. die Frage zu klären, inwieweit eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach im Falle eines Unfalls im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit dem Angestellten lediglich Ansprüche aus der Arbeiterunfallversicherung, Workers' Compensation, zustehen sollen, Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ausschließt.

Die Entscheidung vom 15. November 2005 erörtert, unter welchen Voraussetzungen der Anwendungsbereich für Ansprüche aus der Arbeiterunfallversicherung eröffnet ist. Insbesondere stellt das Gericht dar, wie der Begriff der betrieblichen Tätigkeit, Course of Employee's Employment, auszulegen ist. Zudem nimmt es Stellung zur Frage der Zuständigkeit, die sich aufgrund einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Schiedsgerichtsklausel stellt.

In Abweichung zur erstinstanzlichen Entscheidung des District Court for the District of Columbia stellt das Gericht klar, dass das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit unter Berücksichtigung des Arbeitsrechts des District of Columbia, D.C. Workers' Compensation Act, WCA, restriktiv ausgelegt werden müsse. Das Merkmal sei nach der Going and Coming Rule grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn sich der abseits des Arbeitsplatzes erlittene Unfall entweder auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg ereigne.

Eine Ausnahme dazu bilde der sog. Traveling Employee, ein Angestellter, für den Dienstreisen einen wesentlichen Bestandteil seiner Arbeit ausmachen. Diese Ausnahme dürfe aber nur unter strengen Voraussetzungen angewandt werden. In Anlehnung an den WCA seien zwar keine allzu hohen Anforderungen an eine Kausalität zwischen Reise, Arbeit und den durch den Unfall erlittenen Verletzungen zu stellen. Indes müsse zumindest ein Zusammenhang zwischen diesen bestehen, um den Unfall dem Arbeitsverhältnis zurechnen und den Anwendungsbereich für Ansprüche aus der Arbeiterunfallversicherung, Workers' Compensation, bejahen zu können. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt gewesen seien, könne der vertraglich vereinbarte Ausschluss weitergehender Schadensersatzansprüche insofern nicht greifen.

In Bezug auf die vertragliche Klausel, wonach Streitigkeiten aus dem Arbeitsvertrag vor einem Schiedsgericht in Genf unter Anwendung kalifornischen Rechts verhandelt werden sollen, erklärte das Gericht die US-Bundesgerichte dennoch für zuständig. Eine Verweisung komme nicht in Frage, da es zunächst noch um die Frage der Wirksamkeit der Schiedsklausel gehe, die von den US-Bundesgerichten zu klären sei.

Hinweis: Über diesen Fall berichtete aus einem anderen Blickwinkel Markus Perz, Ali Khan und die Kidnapper am 17. November 2005.


Samstag, den 19. Nov. 2005

Gerichtsstand: Bund oder Staat?  

.   Die Bundesgerichtsbarkeit und die von den Einzelstaaten vorgehaltene Gerichtsbarkeit konkurrieren in vielen Fällen. Die Wahl der Gerichtsbarkeit kann ausschlaggebend sein und ist oft heftig umstritten.

Der Fall American Soda, LLP v. U.S. Filter Wastewater Group, Inc., Az. 03-1492, wurde beim einzelstaatlichen Gericht in Kolorado eingereicht. Auf Antrag der Beklagten wurde er an das unterste Bundesgericht in Kolorado verwiesen. Dieses verwies den Fall zurück.

Jetzt entschied das Bundesberufungsgericht des zehnten Bezirks, in den Kolorado fällt, dass diese Gerichtsstandsklausel nur so auszulegen ist, dass das zuständige Gericht ein Gericht des Staates Kolorado sein muss:
Both Contractor and Company hereby submit to the jurisdiction of the Courts of the State of Colorado and agree that the Courts of the State of Colorado/Arbitrator shall be the exclusive forum for the resolution of any disputes related to or arising out of this Term Agreement.
Die Bundesgerichte gehören keinem Einzelstaat, selbst wenn sie in den Einzelstaaten gelegen sind, bestimmte das Gericht. Die Klausel verweist damit nur auf die einzelstaatliche Gerichtsbarkeit, der sich beide Parteien unterwarfen.

Beim Verfassen solcher Klauseln ist gründlich zu erwägen, was wirklich gewünscht ist. Auch diese typischerweise im Vertragsabschnitt General Terms geregelten Punkte dürfen nicht als Boilerplate abgetan werden.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.