• • Anforderungen an Fotorechtsverletzungsklage • • Verwechselbarkeitsmerkmale im Markenrecht • • Herstellerhaftung nach FBI-Telefondurchsuchung • • Zwang zur Gleichbehandlung verfassungswidrig • • Buch im Eigenverlag von Bestseller plagiiert • • Grenzkontrolle auf digitales Schmuggelgut • • Anfechtung der Online-Haftungsimmunität • • Zession des Urheberrechts nach 35 Jahren beendet • • Neueste Urteile USA

Sonntag, den 21. Mai 2006

Entlastung für Hersteller  

.   Hersteller medizinischer Geräte erfuhren am 16. Mai 2006 eine deutliche Haftungsentlastung. Sie gilt für seit 1976 neu an den Markt gebrachte, besonders vom Bundesgesundheitsamt geprüfte Geräte, die mit dem neuen Urteil von der Produkthaftung weitgehend ausgenommen sind.

Im Fall Charles R. Riegel et al. v. Medtronic, Inc., Az. 04-0412, entschied das Bundesberufungsgericht des zweiten Bezirks die Frage, ob deliktische Ansprüche, zu denen Produkthaftungsansprüche zählen, sowie gewisse Vertragsansprüche aufgrund der strengen amtlichen Prüfung durch das Bundesrecht ausgehebelt werden. Es bestätigte in diesem Fall, dass Ansprüche aus verschuldensunabhängiger Haftung, strict Liability, Verletzung von konkludenten Zusicherungen, Breach of implied Warranty, und Fahrlässigkeit bei Entwicklung, Prüfung, Vertrieb, Auszeichnung, Vertrieb und Verkauf ausgeschlossen sind. Hingegen kann ein Anspruch aus fahrlässig fehlerhafter Herstellung diesen Ansatz überleben.

Das Gericht unterschied zwischen Geräten, die von der FDA nach den seit 1976 geltenden Bestimmungen intensiv geprüft werden, und den mit einem einfacheren Zulassungsverfahren an den Markt gebrachten Geräten. Bei letzteren hatte der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten in Washington im Fall Medtronic, Inc. v. Lora Lohr et al., 518 US 470 (1996), Haftungsansprüche aus unerlaubter Handlung als nicht von der Bundesgesetzgebung beeinträchtigt angesehen. Diese Geräte unterliegen dem oberflächlichen 510(k)-Zulassungsverfahren der Food and Drug Administration.

Das Berufungsgericht behandelt die nach §360k(a) des Medical Device Amendments to the Food, Drug and Cosmetic Act, 21 USC §§301 ff., vor der Marktzulassung von der FDA intensivst geprüften Class III-Geräte als weitgehend dem einzelstaatlichen Recht entzogen. Das Recht der Einzelstaaten stellt die Grundlagen für Ansprüche nach Vertrags- und Tort-Recht, mithin auch weitestgehend nach Produkthaftungsrecht. Das Gericht bestätigt, dass solche Ansprüche weiterhin geltend gemacht werden können, wenn ein Produkt von den im Zulassungsverfahren festgelegten Normen abweicht. Ansonsten bricht nach seiner Einschätzung Bundesrecht das Landesrecht.


Sonntag, den 21. Mai 2006

Honorar und Kosten im US-Prozess  

.   Dass unsere Litigators dieser Tage beim Partners Meeting von Klagen, bei denen es um bis zu $100.000 geht, aus Wirtschaftlichkeitsgründen abrieten, musste erst verdaut werden. Die Berechnung der Prozessspezialisten für einen einfachen Zivilprozess vor dem Trial, dem Verfahren vor dem Richter oder den Geschworenen, lautet etwa so:
  1. Prüfung von Fakten, Ansprüchen, Einreden und Aussichten,        
    Entwurf und Einreichen der Klage:   $10.000
  2. Discovery:   $20.000
  3. Motions Practice bis Summary Judgment:   $20.000
  4. ======
    Summe:   $50.000









Da der Sieger in der Regel keine Kostenerstattung wie nach §91 ZPO erhält, kann der Kläger bei dieser Rechnung maximal einen Dollar mit jedem ausgelegten Dollar gewinnen. Und das gilt nur, wenn die Kosten in dieser sparsamen Kalkulation bleiben und die Aussichten ausgezeichnet sind. Liegt die Forderung niedriger oder höher, verändern sich die Proportionen von der absoluten Unwirtschaftlichkeit bis zum lohnenswerten Geschäft.Wer früh ein Default Judgment, Versäumnisurteil, erstreitet, darf sich beglückwünschen.

Das unbekannte Mahnverfahren wirkt sich bei kleinen Beträgen fatal aus. Die Begrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Small Claims Courts, in denen jedermann recht formlos auftreten kann, auf Beträge von $1.000 bis $5.000 ist heute unrealistisch. Der Anreiz für gegen Erfolgshononar tätige Anwälte, auf Teufel komm raus Strafschadensersatz zusätzlich zum realistischen Klageanspruch zu beantragen, steigt. Dasselbe gilt für die Verbindung von Tort-Ansprüchen, bei denen die Punitive Damages zulässig sind, mit Vertragsansprüchen, die sie nicht kennen. Forderungen vertragsrechtlicher Art von erheblicher Höhe - weit über dem durchschnittlichen Jahreseinkommen von US-Klägern - fallen damit in den USA in schwarzes Loch.

Wer als Anwalt stolz darauf ist, Probleme ohne Gerichte zu lösen, darf sich weiter kreative Lösungen einfallen lassen, und bei Forderungen bis $100.000 bleibt fast keine andere Wahl. Mandanten geben sich meist keinen Illusionen mehr hin, wenn sie erfahren, dass sie allein der Wortprotokollführer etwa $1.000 pro Vernehmungstag kostet. Der einzige Lichtblick sind die Gerichtskosten: $120 beispielsweise im Superior Court der Hauptstadt der USA.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.