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Sonntag, den 25. Febr. 2007

Im Beweisverfahren gelümmelt  

.   Die Klage wegen Vertragsverletzung wurde abgewiesen, weil die Kläger die Vernehmung im Beweisverfahren nicht nach den Vorgaben des Gerichts durchzogen. In Sachen James J. Malot et al. v. Dorado Beach Cottages Associates et al., Az. 06-1035, fand das Bundesberufungsgericht des ersten Bezirks in Boston das harte Durchgreifen jedoch ungerechtfertigt.

Die mangelhafte Beteiligung einer Klägerin an der Discovery, dem Ausforschungsbeweisverfahren, war weniger gravierend als vom Untergericht dargestellt. Zudem konnte die verpatzte Parteivernehmung aus berechtigtem Grund nicht im gerichtlich vorgegebenen Zeitraum abgeschlossen werden. Die Beklagten hatten zum Zeitverlust beigetragen. Schließlich ließ das Untergericht eine Begründung für die Wahl der Sanktion und seine Folgerung vermissen, dass im Vergleich zur Klagabweisung kein milderes Mittel verfügbar war. Daher hob die Berufung die Abweisung am 23. Februar 2007 auf.

Dem Verfahren liegt ein geplatzter Landkauf in Puerto Rico zugrunde. Die Klage wurde dort eingereicht. Die Kläger wohnen in Kalifornien. Sie hatten in der Discovery, dem Ausforschungsbeweisverfahren, bereits eine Frist zur Abgabe der schriftlichen Antworten, Interrogatories, verpasst.

Als eine Klägerin zum fünften Mal einen Termin für ihre Vernehmung, Deposition, in Puerto Rico verschieben wollte, wies das Gericht die Klage auf Antrag der Beklagten nach Rule 37(b)(2) der Zivilprozessordnung ab: … Plaintiffs' misconduct has been extreme, … and have persistently failed to heed to Court's orders even after receiving a forewarning as to sanctions..

Die Berufung bestätigt zunächst die eigene Rechtsprechung zum Ermessensmissbrauch der Untergerichte bei Maßregeln für die Missachtung ihrer Beschlüsse. Missbrauchsbehauptungen haben not received a sympathetic ear from us., s. Damiani v. R.I. Hosp., 704 F.2d 12, 17 (1st Cir. 1983). Die Missachtung von Beschlüssen gilt per se als extremes Verhalten, doch nicht jede Missachtung eines Fristenbeschlusses erlaubt die Klagabweisung, s. Tower Ventures, Inc. v. City of Westfield, 296 F.3d 43, 46 (1st Cir. 2002). Bei jahrelangem Verzug kann sie gerechtfertigt sein.

Hier war eine Verzögerungstaktik erkennbar, doch in der Summe der unentschuldigten Fristversäumnisse der Kläger ging es um Monate. Zudem hatte die Klägerin ihre Vernehmung in einer Videokonferenz angeboten, die das Gericht ohne Begründung ablehnte. Die Beklagten hatten zudem einen Termin versäumt und beantworteten Fristverlängerungsanträge zu zögerlich. Außer dem Zeitverlust war kein Schaden entstanden.

Insbesondere hatte das Untergericht nicht berücksicht, dass Rule 37(b) der Federal Rules of Civil Procedure ihm ein Arsenal an Sanktionen einräumt. Von diesen wandte es ausgerechnet die schärfste an. Die fehlende Begründung der Ermessensentscheidung für seine Abwägung verfügbarer Alternativen und die unterlassene Belehrung über die zu erwartende Abweisung wirken als Hauptfaktoren für die Aufhebung des Urteils.

Zahlreiche Lehren lassen sich diesem Berufungsurteil entnehmen:
1. Eine prozessuale Fristversäumnis ist als Todsünde vor den selbstherrlichen Richtern der ersten Instanz zu vermeiden.
2. Vor der Klagerhebung ist auf einen für den Kläger gut erreichbaren Forumsstaat und Gerichtsstand zu achten, wenn nach den Grundsätzen des US-Prozessrechts zu Jurisdiction und Venue eine Wahl besteht.
3. Können Verfahrenstermine nicht eingehalten werden, sollte der Grund nachvollziehbar sein und in den Gerichtsakten, on the record, festgehalten werden, selbst wenn die Anwälte formlos eine Fristverlängerung aushandeln.
4. Bei der Wahl zwischen Gerichten kann es sinnvoll sein, ihre Einstellung zu Videokonferenzen zu erforschen, um zeitraubende Anreisen zu vermeiden.


Sonntag, den 25. Febr. 2007

Haftung nach Liquidation  

.   Die aufgelöste Gesellschaft kann für Ansprüche haften, die erst nach ihrer Liquidation entstehen, entschied im Staat New York der Court of Appeals am 22. Februar 2007 in Sachen Lena C. Tedesco v. A.P. Green Industries et al., Az. 13. Einerseits gestattet das Gewohnheitsrecht implizit und zudem das Gesetz des Staates explizit während der Auflösungsphase die Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft und ihre Verteidigung gegen Ansprüche. Die Gesellschaft darf auch Dritten den Streit verkünden, gegen die sie einen Ausgleichsanspruch oder Regress geltend macht.

Andererseits ist eine Gesellschaft nach ihrer Auflösung nicht besser zu stellen als andere Schuldner. Daher kann sie später auch für nach ihrer Löschung entstehende Ansprüche zur Haftung herangezogen werden - und im vorliegenden Fall ihre Haftungsfreistellungsansprüche gegen Dritte geltend machen.

Für Gesellschafter einer aufgelösten Gesellschaft bedeutet das Urteil ein weit über die Liquidation hinauswirkendes Haftungsrisiko. Andererseits ist die Legitimation der Corporation zur Streitverkündung als Positivum zu werten.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.