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• • Wie schreibt man US-Kollegen und -Mandanten? • • Zensur des Forumbetreibers verfassungsvereinbar • • US-Verfassung: Machtverschiebungen • • Rahmenvertrag ohne Mengenangabe nichtig • • Drei Markenanträge auf Papier • • Neuverordneter Online-Jugendschutz der FTC • • Freiberufler oder Angestellter: Neuverordnung • • Einheitliches im Gesellschaftsrecht: BOI-Meldung • • Neueste Urteile USA

Mittwoch, den 28. Aug. 2024

Onlinebeispiel mit Todesfolge haftungsbefreit?

 
.   Eine Zehnjährige stirbt, als sie dem Onlinebeispiel einer gefährlichen Ohnmachtsübung folgt. Haftet der Onlineanbieter, der das Beispielvideo nicht erstellt, sondern es lediglich in ein besonderes Konto der Kundin nach algorithmischer Auswahl eingestellt hatte?

Das Video stammt von Dritten, und nach §230 Communications Decency Act sind Onlineanbieter von der Haftung für Inhalte Dritte befreit, weil sie wie ein Postbote oder Telekommunikationsdienst als Übertragungsdienst eingeordnet sind.

Das Bundesberufungsgericht des Dritten Bezirks der USA in Philadelphia setzt sich am 27. August 2024 im Fall Taiwanna Anderson v. Tiktok Inc. ausführlich und lehrreich mit der Norm, der Rechtsgeschichte, den Präzedenzfällen und der technischen Entwicklung seit den Urzeiten des öffentlichen Internets auseinander.

Während die erste Instanz die Nachlassklage auf Schadensersatz nach §230 CDA abwies, meinen die Revisionsrichter mit unterschiedlichen Begründungen, dass der Gesetzgeber regelungslückenhaft diesen Fall nicht vorhersah, und dass die algorithmische Zuweisung von Inhalten eine redaktionelle Leistung des Onlinedienstes darstelle, für die die Haftungsimmunität nicht beabsichtigt sei.

Die Entscheidung kann vor dem Supreme Court in Washington, DC, landen, dessen Einschätzung der Norm unter Berücksichtigung technischer und politischer Entwickungen seit der Internetgründerzeit als dringend angesehen wird.


Sonntag, den 25. Aug. 2024

Wie schreibt man US-Kollegen und -Mandanten?

 
.   Kollegen in Deutschland sind sich gelegentlich unsicher, wie förmlich, höflich oder freundlich sie Kollegen und Mandanten in den USA schreiben sollen. Die Vielfalt ist unbegrenzt. Um auf der sicheren Seite zu bleiben, hier einige Anregungen und Hinweise:

Hello bei erster Korrespondenz: nein. Dear Ms X passt in der Regel. Dear sir oder madam klingt antiquierter, ist aber nicht falsch. Dear Ladies and Gentlemen klingt ausländisch.

Vornamen bei erster Korrespondenz: nein. Dear Ms X and Mr. Y klingt normal. Gentlemen: Bei einer unbekannten oder bekannten Mehrzahl passt das auch.

Danach kann man auf Vornamensbasis mitziehen, aber sollte es nicht initiieren. Auch bei normalem und förmlichem Dear kann der Inhalt so formuliert werden, dass er freundlich klingt. Die teuersten Anwälte gönnen dem Gegenüber gern das Dear, die billigeren scheinbar nicht, und im Streitverhältnis halten es manche für überflüssig, auch wenn es vor Gericht besser wirkt. Good morning, Hello, Hi usw. werden üblicher, dann aber ohne Dear.

Wichtiger noch:

Der erste Buchstabe in der ersten Zeile nach der Anrede wird groß geschrieben, auch wenn das wegen des Kommas nach der Anrede im Deutschen nicht der Fall ist:
Dear Mr. Y,
Do you mean what you stated in line 17 of your email? If so, why?
Sincerely,
Felix Advokatus


Im Text: Länderadjektive beginnen mit einem Großbuchstaben, also:
We believe that German law is unlike American law in this respect. We appreciate that the German constitution benefits from the American experience.

Interpunktion bei Zahlen falsch setzen, dann wird es im amerikanischen Englisch richtig. Vorsicht bei der Milliarde. Sie heißt billion.
A billion dollars costs less than a "Milliarde" of Euros.
Komma nach der abschließenden Grußformel.

Eine Wettermeldung in der Schlußformel ist unüblich, wenn das Wetter keine Auswirkungen auf das besprochene Thema entfaltet.


Samstag, den 10. Aug. 2024

Zensur des Forumbetreibers verfassungsvereinbar

 
.   Das einflussreiche Bundesberufungsgericht des Neunten Bezirks der USA in San Francisco bestätigte einem Onlineforumbetreiber im Fall Children's Health Defense v. Meta Platforms Inc. am 9. August 2024, dass dessen Zensur von Beiträgen Dritter nicht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit rechtswidrig verletzte. Auch das Hinzufügen von Warnungen unter irreführenden Beiträgen sei eine rechtmäßige Ausübung des dem Betreiber zustehenden Redaktionsrechts.

Die Klägerin unter der Leitung eines etwas wirren Präsidentschaftskandidaten und Anti-Impfers behauptete, ihre Beiträge auf dem Forum würden wahrheitsgemäß Kritik an der staatsseitig vertretenen Auffassung über Impfungen publizieren. Löschen und Warnungen vom Forumsbetreiber würden den Wert der Beiträge unterminieren und eine verfassungswidrige Zensur bedeuten. Diese Zensur entspräche Absprachen oder Gleichschaltung mit staatlichen Institutionen und damit der verfassungswidrigen Einflussnahme auf das Äußerungsrecht der Bürger.

Fast wie erwartet stellt die Revision nun fest, dass nur dem Staat die Zensur durch die Verfassung verboten wird. Private, wie die Beklagte, dürfen ein Redaktionsrecht ausüben, was auch auf eine Art von Zensur hinauslaufe, die jedoch keine staatliche Zensur darstelle. In diesem Fall handele also nicht der Staat, und der Betreiber sei auch nicht im Staatsauftrag tätig.

Ein verfassungswidriges Handeln im Staatsauftrag könne zwar auch Private zur Haftung verpflichten. Die zufällige oder auch gewollte Parallelität von Auffassungen über wissenschaftliche oder medizinische Erkenntnisse bedeute jedoch kein Handeln im Namen des Staates. Der Grundrechtsanspruch sei deshalb nicht auf den Onlinebetreiber anwendbar.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit samt des staatlichen Zensurverbots ist im Ersten Verfassungszusatz, First Amendment, verankert:
Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.


Donnerstag, den 04. Juli 2024

US-Verfassung: Machtverschiebungen

 
.   Vor 90 Jahren war der Kanzleigründer des Verfassers die rechte Hand des Präsidenten. F. D. Roosevelt wollte die Weltwirtschaftskrise meistern, indem er der Wirtschaft des Landes einheitliche Regeln vorschrieb und ein kleines Sozialnetz einführte. Das setzte voraus, dass die Einzelstaaten Kompetenzen an den Bund abträten - oder er sie dem Bund anmaßen würde. Für die zweite Lösung verfasste der Kanzleipartner die Bundesgesetze, die schnell zur Gründung und zum Bau von Bundesministerien sowie Klagen bis zum Supreme Court führten. Dessen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken schob dieser schweren Herzens beiseite, und der Bund hat bis in die neunziger Jahre eine Vereinheitlichung des Rechts in zahlreichen Fachbereichen erzielt.

Dagegen erhob sich eine Opposition unter dem Repräsentantenhausführer Gingrich, die die Macht den 50 Einzelstaaten zurückgeben wollte. Diese Opposition mündete schließlich in die trumpschen Wahlversprechen. Bei trumps Wahl zum Präsidenten warnte der Verfasser, dass nicht nur eine Demokratiedurststrecke von vier Amtsjahren zu erwarten sei, sondern ein vierzig Jahre lang drohender Schaden, nämlich durch die Zuständigkeit des Präsidenten für die Einsetzung von Supreme Court-Richtern. Zwei oder drei von neun Richtern können die Richtung der Verfassungsauslegung auf deren Lebzeiten ändern.

Mit Tricks des Senatsführers McConnell gelang es trump, Extreme in drei Stellen einzusetzen. Das Ergebnis ist spätestens mit den Urteilen des Supreme Court in der vergangenen Woche allen klar geworden: Präsident trump stand mit seinen Handlungen über dem Gesetz und zwar im Zweifel auch von dem Privatleben zuzuordnenden Handlungen; die Kompetenzen des Bundes sind zurückgeschraubt, sodass die Einzelstaaten nicht nur im vorher rein bundesverfassungsrechtlichen Abtreibungsrecht das letzte Wort haben; der Spielraum der Ministerien bei der Umsetzung und Durchführung von Bundesgesetzen ist so eingeschränkt, dass sie ohne Auslegungszuständigkeit nur noch eindeutigen Anordnungen des Gesetzgebers folgen dürfen; und die Strafverfolgungsämter des Bundes müssen den Expräsidenten als nahezu unantastbaren Führer behandeln.

Die ohnehin kaum vorhandene Rechtseinheitlichkeit und Rechtsicherheit aufgrund von Bundeszuständigkeiten wird von der Vielfalt der einzelstaatlichen Lösungsansätze verdrängt. Für Unternehmen wie Bürger wird es nur schwerer, ihre Rechte und Pflichten einzuschätzen. Wahrscheinlich wird die Anwaltschaft von der neuen Verfassungsordnung profitieren, doch meist im Bewusstsein des Verlustes von Verfassungsrechten, die mehr als 50 Jahre lang und vielleicht in 50 Jahren wieder selbstverständlich waren und sein werden.


Freitag, den 24. Mai 2024

Rahmenvertrag ohne Mengenangabe nichtig

 
.   Rahmenverträge sind in vielen Wirtschaftszweigen üblich und setzen für konkrete Bestellungen den rechtlichen Rahmen für Aufträge. Im Einstweiligen Verfügungsfall Higuchi Internationall Corp. v. Autoliv ASP Inc. stritten sich die Parteien um die Wirksamkeit des Rahmenvertrages, den ein Kunde gegen einen Lieferanten von Autoteilen durchsetzen wollte.

Im Ergebnis schreibt das Bundesberufungsgericht des Sechsten Bezirks der USA in Cincinatti am 23. Mai 2024, dass der Vertrag das Schriftformerfordernis des Statute of Frauds nicht erfüllt und deshalb undurchsetzbar ist. Die Schriftform muss das Vertragsmerkmal der Mengenangabe erfüllen. Gerade diese fehlt im Rahmenvertrag, der im konkreten Fall als Requirements Contract bezeichnet wird, dem Releases folgen sollen. Die Releases werden sonst oft als Purchase Orders bezeichnet.

Die Mengenangabe ist nach der in Michigan anwendbaren Fassung des Uniform Commercial Code das einzige unverzichtbare Vertragsmerkmal und fehlt in den Purchase Orders. Das Gericht beschreibt ausführlich Gestaltungswege, beispielsweise die Aufnahme der Worte all Requirements, wenn keine definitive Menge angegeben werden kann - immer vorausgesetzt, dass die Menge präzise und ausdrücklich, nie konkludent nachweisbar, bezeichnet wird. Hier hatte sich der Auftraggeber einige Fallen gestellt, die das Gericht illustriert und bei Vertragsgestaltungsmandaten berücksichtigt werden sollten.


Mittwoch, den 24. April 2024

Drei Markenanträge auf Papier

 
.   Allmählich setzt sich Digitales beim Markenamt brauchbar durch. Als eins der Bundesämter, das sich früh mit dem Internet anfreundete, aber lange das ursprüngliche, eher experimentale Onlineangebot beibehielt, hat es nun ein durchweg flott funktionierendes System, das auch den ungeübten Benutzern umfangreiche Hilfestellungen und Erklärungen des Markenrechts in den USA anbietet.

Dies wird der Grund sein, warum von 508395 Anträgen im Amtsjahr 2023 nur drei auf Papier eingereicht wurden. Der zweite Grund sind die Gebühren, beim Onlineantrag ab $250, beim Papierantrag $750. Die Zahlen weist die Datenschutzmeldung des Amts im Amtsblatt vom 24. April 2024 aus.

Für die antragstellende Wirtschaft weist der amtliche Bericht Anwaltsgebühren von fast $230 Mio. aus. Diese belegt es mit dem durchschnittlichen Zeitaufwand für neue Anträge ohne die Bearbeitung amtlicher Prüfergebnisse, Office Actions, die das Trademark Office mit dem durchschnittlichen Stundensatz der Bearbeiter von $447 multipliziert. Dieser Stundensatz gliedert nicht die Sätze von Anwälten und den kostengünstigen Paralegals auf, die einen Teil der Bearbeitung erledigen, sondern bildet eine realistisch erscheinende Mischkalkulation.


Samstag, den 13. Jan. 2024

Neuverordneter Online-Jugendschutz der FTC

 
.   Als Jugendschutzmaßnahme wurde im jahre 1998 das bundesrechtliche Gesetz Children's Online Privacy Protection Act, 15 U.S.C. 6501, in Kraft gesetzt. Das Verbaucherschutz- und Kartellrechtsamt des Bundes, Federal Trade Commission, wurde beauftragt, Verordnungen, Richtlinien und Hinweise für Anbieter und Verbraucher zu schaffen.

Diese passt die FTC nun dem technischen Fortschritt, der Kinder unter 13 Jahren anderen Versuchungen und Gefahren aussetzt als 1998, mit der Verkündung einer Neuregelung unter dem Titel Children's Online Privacy Protection Rule; Proposed Rule, im Bundesanzeiger, Federal Register, an. Die Öffentlichkeit ruft die FTC auf, Stellungnahmen einzureichen, bevor der Entwurf zu Ende formuliert und in Kraft gesetzt wird.


Mittwoch, den 10. Jan. 2024

Freiberufler oder Angestellter: Neuverordnung

 
.   Am 10. Januar 2024 verkündete das Bundesarbeitsministerium im Bundesanzeiger, Federal Register, eine neue Verordnung unter dem Titel Employee or Independent Contractor Classification Under the Fair Labor Standards Act; Final Rule, die vielen Arbeitgebern Sorgen bereit, weil sie viele Freiberufler als Angestellte einstufen kann und damit steuerliche und andere administrative Folgen auslösen kann.

Die Hauptaussage der Verordnung beschreibt das Ministerium als Economic Reality Test, der die Abhängigkeit von bisher freiberuflichen Gig-Arbeitern, Independent Contractors, zum Angelpunkt der erforderlichen Klassifizerung macht:
(b) Economic dependence as the ultimate inquiry. An "employee" under the Act is an individual whom an employer suffers, permits, or otherwise employs to work. 29 U.S.C. 203(e)(1), (g). "Employer" is defined to 'include[ ] any person acting directly or indirectly in the interest of an employer in relation to an employee." 29 U.S.C. 203(d). The Act's definitions are meant to encompass as employees all workers who, as a matter of economic reality, are economically dependent on an employer for work. A worker is an independent contractor, as distinguished from an "employee" under the Act, if the worker is, as a matter of economic reality, in business for themself. Economic dependence does not focus on the amount of income the worker earns, or whether the worker has other sources of income.
Die Verordnung wird mit einer Auswertung von über 50000 Kommentaren der Öffentlichkeit um Verordnungsentwurf von 2022 veröffentlicht. Diese Auswertung wird bei der Einzelprüfung nützlich sein. Viele Unternehmen prüfen bereits die Verträge, die sie mit Independent Contractors unterhalten und stellen unter Berücksichtigung der amtlichen Feststellungen durch Vertragsanpassungen klar, dass die Freiberuflereigenschaft weiterhin gewährleistet ist, oder sie übernehmen diese Personen in ein Employment-Arbeitsverhältnis.


Mittwoch, den 20. Dez. 2023

Einheitliches im Gesellschaftsrecht: BOI-Meldung

 
.   Wie Vertragsrecht ist in den USA das Gesellschaftsrecht einzelstaatliches Recht. In jedem Staat ist es etwas anders. Aber der Bund führt am 1. Januar 2024 eine einheitliche Meldepflicht unter der Bezeichung Beneficial Owner Information ein. Die Gesetzesgrundlage ist der Corporate Transparency Act in 31 United States Code 5336. Die Durchführungsbestimmungen finden sich in 31 Code of Federal Regulations 1010.380.

Bereits jetzt warnt das zuständige FinCEN-Amt vor Phishing-Angriffen gegen meldewillige Unternehmen und deren Inhaber und Management, aber dennoch müssen die meisten Eigentümer und Leiter amerikanischer Gesellschaften aller Art das strafbewehrte Gesetz strikt befolgen. Bestehende Unternehmen müssen ihre Meldung bis zum 31. Dezember 2024 einreichen, neue binnen 30 Tagen - 90 Tage im Jahr 2024 - nach der Eintragung im einzelstaatlichen Handelsregister.

Obwohl die Entrüstung enorm ist, weil sich der Staat zum ersten Mal um die Identifizierung von mit Gesellschaften verbundenen Personen interessiert und gar Anschriften und Passmerkmale fordert, und obwohl die Verordnungsgebung noch nicht abgeschlossen ist, sollte man angesichts der zu erwartenden Strafen die Compliance schnellstens und gründlichst angehen.

Im ersten Schritt sollte man die notwendigen Informationen über Gesellschafter, Inhaber, Directors, Officers, Gründer und die Personen sammeln, die die Eintragung beim Handelsregister vorgenommen haben. Dann sollte man sich mit der online vorzunehmenden Meldung im Einzelfall vertraut machen.


Donnerstag, den 14. Dez. 2023

Schedule A Defendants-Missbrauchsklagen

 
.   Entscheidungen, nicht Klagen, stehen hier im Vordergrund, weil man von ihnen lernt und die obergerichtlichen Entscheidungen über die Parteien hinaus bindend sind. Aber eine Art der missbräuchlichen Klage soll hier erneut erwähnt werden: Die Klagen in den USA gegen Onlineshops, sogenannte Schedule A Defendants, mittlerweile SAD genannt.

Wie bereits berichtet, richten sich diese Klagen im Markenbereich gegen mehrheitlich ausländische Beklagte, die oft klein sind und angeblich amerikanische Marken verletzen.

Ihnen wird die Klage nicht nach der Haager Übereinkunft oder anderen Abkommen zugestellt, sondern sie werden mit einer EMail benachrichtigt, dass sie sich die Klage auf der Webseite einer Kanzlei abholen können. Oft sind die Klagen unverständlich formuliert, aber sie verlangen, dass die Konten der Beklagten eingefroren werden. Dies sind meist Konten bei amerikanischen Unternehmen, die Kleinanbietern das Einrichten und Verwalten von Shops und Konten erlauben.

Bei kleinen Umsätzen an amerikanische Kunden stehen die Kosten einer Verteidigung, wenn die Klage überhaupt wahrgenommen wird, in keinem angemessenen Verhältnis zum Aufwand. $100000 Verteidigungskosten kann sich nicht jeder Anbieter leisten, und das wäre im Markenrecht noch billig. Das Abholen der Klage zur Verteidigung ist übrigens mit dem Risiko verbunden, das der Klägeranwalt Daten des anfragenden Beklagten speichert und damit dem Gericht nachweisen kann, dass die fragwürdige Zustellung erfolgreich war. Mittlerweile wird über die zahlreichen SAD-Klagen mehr bekannt:
- Die Zustellung verletzt die Rechte der Beklagten, aber zwei Gerichte in Chicago und Miami scheinen sich mit dem Vorgehen zufrieden zu geben. Das bedeutet, dass ein etwaiges Urteil in den USA vollstreckt werden darf.
- Das Einfrieren der Beklagtenkonten steht auf tönernem Fundament.
- Das Verbinden zahlreicher, gar hunderter von Beklagten nach dem Joinder-Grundsatz ist rechtlich zweifelhaft. Die Beklagten müssten gemeinsam handeln und zumindest irgendwie miteinander verbunden sein. Das ist bei der Art der SAD-Beklagten fast nie der Fall.
- Die Geheimhaltung der Beklagten auf Antrag der Kläger verletzt nach Auffassung zumindest eines Richters den Grundsatz der Öffentlichkeit und erschwert den Beklagten eine kostengünstigere gemeinsame Verteidigung.
- Die Kläger nutzen raffiniert das Prozessrecht der Bundesgerichte, manchmal gar mit falschen Behauptungen, aus und stellen den Rechtsstaatsgrundsatz, Due Process, wie in Art. 19 GG auf den Kopf. - Auch werden Klagen bekannt, von denen die Kläger selbst keine Ahnung haben, beispielsweise die eines Künstlers gegen seine Anhänger, was auf Missbrauch durch die Klägeranwälte oder die Künstlermanager deutet.
Ein Professor Goldman ist einer der wenigen Beobachter dieses Missbrauchs; ein anderer Rechtsanwalt hat neben dem Verfasser auch dieses Vorgehen analysiert, siehe:
Goldman, Judge Pushes Back on SAD Scheme Sealing Requests
Goldman, A SAD Scheme of Abusive Intellectual Property Litigation
Goldman, SAD Scheme Cases Are Always Troubling–Betty’s Best v. Schedule A Defendants
Schwimmer, SAD gone bad!







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.




 
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