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Samstag, den 17. Sept. 2022

Galileo, Hitler und trump: Zensur

 
.   Rede-, Forschungs- und Meinungsfreiheit sind stolze Grundpfeiler der US-Verfassung. Dass Galileos Forschungserkenntnisse über die Rolle der Erde im Weltall verboten wurden, dass Hitlers Buchverbrennungen stattfanden, dürfe sich nicht in den USA wiederholen. Kurz nach der Gründung der USA führte der Erste Verfassungszusatz Grundrechte zum Schutz des Bürgers vor staatlicher Zensur in die Verfassung ein.

Seit Altpräsident trump von Twitter ausgeschlossen wurde und diverse Internetforen pseudowissenschaftliche und allgemeingefährliche Verkündungen mit Warnhinweisen versehen, verfolgen trump-Anhänger das Ziel neuer Gesetze, die eine "Zensur" durch Internetforen verbieten. Am 16. September 2022 gewannen sie jubelnd einen Beschluss des Bundesberufungsgerichts des Fünften Bezirks der USA im Fall NetChoice LLC v. Paxton. Ein trumpnominierter Richter schrieb mit der Unterstützung eines reagannominierten Richters, dass entgegen der herrschenden Auffassung der Revisionsgerichte der USA eine Zensur auch von Internetunternehmen ausgehen könne, deren Zensurrecht der Staat Texas beschneiden dürfe. Sie hätten sich als landesweite Versorgungsunternehmen wie ein Wasser- oder Stromwerk besonderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

Diese Rechtsauffassung kollidiert mit den Aussagen des Supreme Court über redaktionalle Freiheiten dieser Unternehmen nach §230 Communications Decency Act und das First Amendment ebenso wie der Entscheidung des Revisionsgerichts im Elften Bezirk über ein ähnliches Gesetz aus Florida: Internetanbieter seien keine Versorgungseinrichtungen, und ihnen stünden redaktionelle Freiheiten zu, die der Staat garantieren müsse.

Dennoch kann sich das Blatt mit drastischen Folgen wenden. Echte Forscher mit unpopulären Erkenntnissen müssen mit Einschränkungen nach weiteren Gesetzen rechnen - selbst mit Verboten der Aufnahme in staatliche Bibliotheken in Schulen und Universitäten -, während Quacksalber, Betrüger und politische Wirrköpfe auf das auf den Kopf gestellte Zensurverbot pochen dürfen. Die Gefahr geht letztlich vom von trump neukonstitutierten Supreme Court in Washington, DC, aus, vor dem diese Fälle landen. Mehrere seiner Richter haben bereits ihre Sympathien für die trumpsche Rechtsauslegung angedeutet.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.