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Dienstag, den 17. Jan. 2023

Künstliche Intelligenz und Juratexte

 
.   Ob mithilfe der Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz gleich Artificial Intelligence, AI, juristische Fachberichte erstellt oder verbessert werden, ist noch unbewiesen. Die Auswertung der Berichte von Juristen macht jedoch sichtbare Fortschritte, wie die Neuinkarnation von Jurablogs.com belegt.

Jurablogs, eine neue Mastodon-Instanz mit eigener Softwareweiterentwicklung des von Jurabloggern verehrten Entwicklers Matthias Klappenbach, wertet Blogs mit rechtlichen Themen mit AI-Software aus und veröffentlicht eine Zusammenfassung in einem Satz.

Dass die Software entwickelt wird oder lernt, merkt der Leser in diesem Beispiel: Der nachfolgende Bericht spricht von der Bestätigung einer Haftstrafe in der Revision. Die AI-Zusammenfassung machte daraus:
“In der Revision USA v. Colum Patrick Moran, Jr. wurde eine frühere Verurteilung wegen Kinderpornografie aufgrund fehlenden Versuchsvorsatzes aufgehoben, obwohl Beweise seinen Wunsch nach verschiedenen Bildern belegten.”
Die Software hatte also Schwierigkeiten, das Revisionsargument des Häftlings von der im Ergebnis verwerfenden Analyse des Gerichts zu unterscheiden. Eine erste AI-Auswertung ging gar ohne jegliche Anknüpfungspunkte im Bericht so weit zu fantasieren, "Er konnte nicht vor seiner verurteilenden Haft fliehen.” Aus solchen Fehlern lernt auch Jurablogs und korrigiert, was das System besonders lesenswert macht.

Im neuen Jurablogs findet der Leser sinnvollerweise, wie in der Vorversion, eine Verknüpfung zum Originalbericht sowie dessen Überschrift neben der AI-Zusammenfassung.

Rechtlich bietet das AI-System in Jurablogs.com Anlass zu zahlreichen Überlegungen, die sich wie die AI-Technik weiterentwickeln werden. Klar ist im US-Recht, dass Titel und Verknüpfungen urheberrechtlich uneingeschränkt von Dritten veröffentlicht werden dürfen. Text-, Bild-, Ton-, Musik- und Videoausschnitte dürfen zum Lernen, für Satire und Kommentare und andere Zwecke kopiert und übernommen werden. Lernt AI? Oder ist die AI-Auswertung kein Lernen im Sinne von 17 USC §107? Stellt die Zusammenfassung in Jurablogs.com eine haftungsfreie Substantial Transformation im Sinne der Rechtsprechung zum Fair Use dar? Höchstwahrscheinlich, siehe Licht in der Grauzone: Google Books, Kommuni­kation & Recht, 2014, 15, da die Google Books- und andere Entscheidungen in diese Richtung weisen.

Und wenn die Auswertung falsch ist? Wird das Persönlichkeitsrecht des Verfassers und im Bericht erwähnter Personen verletzt? Oder die in den USA weniger bedeutsamen Moral Rights von Autoren? Wenn sich ein Rechtsanwalt auf die Auswertung von Urteilen oder Fachberichten verlässt und dabei einen wichtigen Text wegen einer fehlerhaften Zusammenfassung ignoriert, kommt die Haftung ins Spiel. Neben Urheberrechts- und Lizenzfragen stehen auch Themen aus dem Vertragsrecht, beispielsweise den Webseitenbedingungen, und anderen Rechtsbereichen, die im Laufe der Zeit mit oder ohne AI-Hilfe zu klären sind und in Jurablogs als geeignetem Forum erörtert werden können.







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.