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Samstag, den 11. März 2023

Marken im Onlinehandel: Massenklagen

 
Kleine Onlineshops werden von gierigen Markenanwälten überfallen
.   Ein Geschäftsmodell von Massenklägeranwälten greift weiter um sich. Es irritiert unzählige kleine Onlinehändler, die bei globalen Anbietern virtuelle Läden eingerichtet haben und plötzlich nicht nur eine Markenabmahnung, sondern bereits eine Verbotsverfügung eines amerikanischen Gerichts samt Kontensperre für den Onlineshop erhalten. Die Marke selbst mag unbedeutend erscheinen, und der Umsatz mit US-Kunden kann sich auf drei Stück zu 5 Euro belaufen, aber der Schock ist enorm.

Die Gerichtspost wird von einem amerikanischen Anwalt per EMail zugesandt, und sie kann ein Link auf einen Kanzleiserver enthalten, bei dem weitere Gerichtsunterlagen abrufbar sein sollen.

Was macht der sorgfältige Onlinehändler? Er geht dem Vorwurf auf dem Server nach. Was macht der Klägeranwalt: Er sammelt die Daten des Onlineshops und kann damit dem Gericht eine Kenntnisnahme nachweisen, die eine wichtige Formalität* für spätere Vollstreckungsschritte in den USA gegen den Händler darstellen.

Bei diesem Geschäftsmodell werden in der Regel einige Riesen verklagt, und neben ihnen eine solch lange Liste von bei ihnen registrierten Onlinehändlern, dass die Liste dieser Beklagten nur als Anhang in Verfügungen erscheint: 150 Händler in China, drei in Deutschland, 50 bei Amazon, 30 bei Etsy, 200 bei Alibaba usw.

Die Klägeranwälte scheinen Proteste der kleinen Händler bei den großen Anbietern auslösen zu wollen, damit diese der Klägerseite schließlich Geld in den Rachen werfen, damit Ruhe ist. Der Ausgang anderer Verfahren zeigt, dass urplötzlich die Klagen gegen alle oder einen Teil der Kleinhändler zurückgenommen wird, nachdem zuerst eine Rücknahme gegen den einen oder anderen Großanbieter in der Gerichtsakte auftaucht. Der zugrundeliegende Vergleich mit den Großen bleibt in der Regel geheim.

Die Klägeranwälte wissen natürlich, dass die Abwehr einer Markenklage teuer ist: Im Anfangsstadium erst sechsstellig, und nach einem vollständigen Prozess vor Bundesgerichten auch oft siebenstellig. Viel Druck brauchen sie nicht zu machen, denn er ist systemimmanent. Vor allem die kleinen Onlinehändler können sich nicht wehren, aber auch die großen Anbieter lassen sich schnell des lieben Frieden willens schröpfen.

Was kann der kleine Händler im Ausland tun, und was sollte er nicht? Wenn keine förmliche Zustellung einer Klage nach der Haager Übereinkunft ins Ausland erfolgt, sondern nur eine EMailbenachrichtigung, dann ist die Bestätigung der Kenntnisnahme zu vermeiden. Nach der förmlichen Zustellung kann in weiter Zukunft irgendwann eine Vollstreckung eines amerikanischen Urteils zulässig werden, nach der Bestätigung der Kenntnisnahme einer EMailmail mit Prozessverfügungen aber schon sofort und zwar die Vollstreckung in den USA, wenn das Gericht die Bestätigung als prozesswirksam beurteilt.

Deshalb sollte der ausländische Shopinhaber das Verfahren beobachten, aber nicht bei der Klägerkanzlei Prozessakten suchen, wo der Besuch der Kanzleiseite prozessbedeutsame Rechtsfolgen auslöst. Er sollte auf keinen Fall die Klägerkanzlei kontaktieren, weil dies ebenfalls eine Bestätigung der Kenntnisnahme bedeutet. Die Klägerkanzlei freut sich über den Hinweis, dass nur drei Stück zu 5 Euro verkauft wurden: Damit wird die Markenverletzung eingestanden, und eine Strafschadensersatzforderung mit viel höheren gesetzlichen Beträgen erhält eine wasserdichte Grundlage. Unter Umständen lohnt sich damit auch die teure und umständliche zusätzliche Zustellung im Ausland, die die Kläger anfangs vermeiden, und dann kann ein Urteil auch im Ausland vollstreckt werden.

* Kochinke/Horlick, Auslandszustellungen nach US-amerikanischem Bundesrecht, 28 RIW 162 (Feb. 1982).



 







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.




 
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