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• • Forenhaftung wegen Terroristenbeihilfe • • Fair Use entschuldigt Betriebssystemkopie • • Buchzensur oder Mahnung? • • Biometrischer Datenschutz: Altersfeststellung • • Falsche Herkunftsbezeichnung Made in USA • • Strafmilderung: Export Control Self-Disclosure • • • • Mutter umgeht Tochterfirma: Ab ins US-Gericht • • Neueste Urteile USA

Freitag, den 19. Mai 2023

Fotorecht: Fair Use auf der Kippe

 
.   Im Urheber- sowie im Markenrecht gilt die Verletzungsentschuldigungsregel des Fair Use. Im Copyright Act is sie in 17 USC §107 gesetzlich verankert. Der Supreme Court of the United States in Washington, DC, als oberster, landesweit zuständiger Bundesgerichtshof beurteilte am 18. Mai 2023 als dritte Instanz die Urheberrechtsverletzung durch den Künstler Warhol im Fall Andy Warhol Foundation for The Visual Arts Inc. v. Goldsmith.

Das Link zur Entscheidung in der zweiten Instanz beim Bundesberufungsgericht des Zweiten Bezirks der USA findet sich im Vorbericht. Dieses Gericht hat Schwierigkeiten mit permanenten Links, sodass der Leser auch andere Quellen versuchen sollte. Die Entscheidung der ersten Instanz war bereits im meinem Landesreport USA in der Zeitschrift Kommunikation & Recht vorgestellt und analysiert.

Die Vorgerichte hatten hauptsächlich auf die Anforderung der Transformation eines Werks abgestellt, während der Supreme Court in der Mehrheitsbegründung auf den Zweck der verletzenden, veränderten Wiederverwendung ohne Genehmigung der Fotografin abstellt. Die transformierende Abwandlung dees Küstlers Warhol ist auch vor diesem Gericht unbestritten, doch fragt es vertieft, wie diese Veränderungen im Sinne von Purpose and Character of Use entscheidend sind, wenn derselbe kommerzielle Zweck vom Nachahmer wie von der Fotografin verfolgt wird.

Die Richter streiten sich in ihren divergierenden Begründungen in diesem Punkt. Soll die Entschuldigung des Fair Use bei einer gewerblichen Verwendung nicht gelten, bei einer Gratisausstellung in einem Museum hingegen wohl? Die Richter weisen keinen eindeutigen Weg, und die amtliche Begründungseinleitung zeigt nur, dass der Mehrheit der Schutz des Monopols der Fotografin mit dem Recht auf die Herstellung von Derivaten am Herzen liegt:
To preserve the copyright owner's right to prepare derivative works, defined in §101 of the Copyright Act to include "any other form in which a work may be recast, transformed, or adapted," the degree of transformation required to make "transformative" use of an original work must go beyond that required to qualify as a derivative.


Donnerstag, den 18. Mai 2023

Forenhaftung wegen Terroristenbeihilfe

 
.   In zwei Fällen entschied der Supreme Court in Washington, DC, am 18. Mai 2023 gegen Kläger, die Internetforen wegen ihrer angeblichen Behilfe zu Straftaten, darunter Terrorismus, zur Haftung heranziehen wollten:
Gonzalez v. Google LLC
Twitter Inc. v. Taamneh
In beiden Entscheidungen stellte das Gericht auf die Auslegung der gesetzlichen Beihilfe-Definitionen ab. Die Ergebnisse überraschen, weil sie von Richtern formuliert wurden, deren Mitwirkung gar nicht als sonderlich einflussreich erachtet wurde, aber vor allem, weil sie die Haftungsbeschränkung von § 230 Communications Decency Act nicht ändern.

Im Detail werden die beiden Entscheidungen jedoch noch vertiefter Prüfung unterzogen werden müssen. Wenn die Haftungsbeschränkung von § 230 CDA überhaupt nicht in Frage gestellt ist, ist zu befürchten, dass der IT hassende Kongress handelt, und das wird im günstigsten Fall nur Verwirrung stiften. Gefährlich wird es, wenn er - eher ahnungslos - die Grundfesten des Internet anrührt.


Montag, den 08. Mai 2023

Fair Use entschuldigt Betriebssystemkopie

 
.   Fair Use ist im Urheberrecht gesetzlich unter 17 USC §107 definiert, und auf dieses Recht pochte die Beklagte, die für Android- und iOS-Telefone mit ihrer Software virtuelle Geräte für Sicherheitsprüfung und -forschung anbietet - ähnlich wie 10 Jahre vor dem ersten iPhone das Nokia Communicator SDK ein virtuelles Gerät in der Entwicklungsumgebung GEOS 32 bereitstellte. Das virtuelle Gerät läuft auf Standardrechnern und verzichtet auf die eigentliche Hardwareplattform.

Die Klägerin warf der Beklagten das illegale Kopieren des iOS-Betriebssystems vor, nachdem sie zunächst versucht hatte, die Beklagte zu erwerben. Die Beklagte bestritt nicht das Kopieren, Verändern und Wiederwenden des Originals, sondern behauptete, Fair Use gestatte ihr Art der Verwendung.

Die Sicherheitsforschersoftware sei nämlich nicht nur innovativ und nützlich, sie sei transformierend und diene dank weiterer Funktionen neuen Zwecken, die das Original nicht anstrebe, während sie der Klägerin keinen Schaden im Markt zufüge. Das Bundesberufungsgericht des Elften Bezirks der USA in Atlanta stimmte der Beklagten im Fall Apple Inc. v. Corellium Inc. am 8. Mai 2023 mit lehrreicher Begründung zu.


Donnerstag, den 04. Mai 2023

Buchzensur oder Mahnung?

 
.   Der Revisionsentscheid Kennedy, Jr. v. Warren vom 4. Mai 2023 erklärt, wann ein Schreiben einer einflussreichen Senatorin als verfassungswidrige Zensur gelten kann, wenn sie einen bedeutenden Internetmarkt auffordert, seine Algorithmen zu ändern. Sie wünscht, dass der Händler ein Buch mit Falschinformationen über COVID-19 nicht in die Bestsellerliste aufnimmt.

Das Bundesberufungsgericht des Neunten Bezirks der USA in San Francisco verneinte, dass das Schreiben einen rechtswidrigen Eingriff darstelle. Es prüfte die vier Merkmale, die der Supreme Court in Washington, DC, aufgestellt hatte, nämlich (1) the government official’s word choice and tone; (2) whether the official has regulatory authority over the conduct at issue; (3) whether the recipient perceived the message as a threat; and (4) whether the communication refers to any adverse consequences if the recipient refuses to comply.

Die Senatorin wählte ernste und dringende Worte mit ihrer Mahnung, doch im üblichen Ton, und sie ist für die Regulierung des Adressaten unzuständig. Der Markt kann sich unter Druck gesetzt fühlen, doch nicht mehr als bei üblicher Kritik auch aus Presse und Öffentlichkeit. Schließlich hatte die Senatorin keine amtlichen Maßnahmen gegen das Unternehmen angedroht. Die Klage des Verlages und der Verfasser des Buches blieben daher erfolglos.


Sonntag, den 23. April 2023

Biometrischer Datenschutz: Altersfeststellung

 
.   Das Spannungsverhältnis von biometrischem Datenschutz, der beispielsweise in Illinois gesetzlich verankert ist, und der neuen kalifornischen Altersfeststellungspflicht von App- und Webanbietern legt der Zwischenbeschluss vom 4. April 2023 im Fall Kuklinksi v. Binance Capital Management Co. offen. Prof. Eric Goldman geht in seiner Erörterung der Entscheidung so weit zu behaupten, dass sich die Gesetzgeber belügen, wenn sie mehr Jugendschutz mit Vereinbarkeit mit dem Schutz der Privatsphäre versprechen.

Der Prozess betrifft die wirksame oder unwirksame Zustimmung von Minderjährigen oder ihren gesetzlichen Vertretern, die auf Webseiten und bei Apps notwendigen Offenlegungen und Erklärungen - in Deutschland oft AGB genannt - und deren Annahme oder Bestätigung sowie die biometrische Alterverifizierung durch Gesichtsfotos zur Bestätigung von staatlichen Ausweispapieren.

Goldman erklärt den Sachverhalt und die Rechtslage so umfassend und überzeugend, dass der Beschluss hier nicht erneut diskutiert, sondern vielmehr auf Goldman verwiesen wird. Die relevanten Gesetze sind der California Age-Appropriate Design Code (AADC), der California’s Privacy Rights Act (CPRA) und der Biometric Information Privacy Act (BIPA) aus Illinois. Die Online-Altersfeststellungspflicht wurde vor 30 Jahren wiederholt als verfassungswidrig beurteilt, doch scheinen die Gesetzgeber nicht aus ihren Fehlern zu lernen.


Freitag, den 21. April 2023

Falsche Herkunftsbezeichnung Made in USA

 
.   Die Herkunftsbezeichung Made in USA verwendete die Beschuldigte im Verfahren Federal Trade Commission v. Cycra Inc. fehlerhaft. Nach einer Untersuchung der Bundesverbraucherschutzamts FTC in Washington, DC, einigten sich die Parteien auf einen Vergleich, den das Amt am 21. April 2023 der Öffentlichkeit zur Kommentierung vorlegte.

Der Vergleich sieht zahlreiche Sanktionen vor. Vor allem wird das Unternehmen 20 Jahre unter die Aufsicht des Amts gestellt und muss laufend Compliance-Berichte erstatten. Neben den Daumenschrauben wird eine Geldstrafe von $872.577 verhängt, die jedoch auf Bewährung suspendiert wird. Das Amt betont in der Begründung die Anforderungen des FTC Act an die Herkunftsbezeichnung:
Consistent with the FTC's Made in USA Labeling Rule, 16 CFR part 323, and its Enforcement Policy Statement on U.S.-Origin Claims, Part I prohibits Respondents from making U.S.-origin claims for their products unless: (1) the final assembly or processing of the product occurs in the United States, all significant processing that goes into the product occurs in the United States, and all or virtually all ingredients or components of the product are made and sourced in the United States; (2) a clear and conspicuous qualification appears immediately adjacent to the representation that accurately conveys the extent to which the product contains foreign parts, ingredients or components, and/or processing; or (3) for a claim that a product is assembled in the United States, the product is last substantially transformed in the United States, the product's principal assembly takes place in the United States, and United States assembly operations are substantial. Part II prohibits Respondents from making any representation about the country of origin of a product or service, unless the representation is not misleading and Respondents have a reasonable basis substantiating it.


Dienstag, den 18. April 2023

Strafmilderung: Export Control Self-Disclosure

 
.   Die Folgen einer Ausfuhrkontrollverletzung können extrem teuer ausfallen, doch kann man sie durch eine Selbstzeige, voluntary Self-Disclosure, mildern. Das zuständige Amt, das Bureau of Industry and Security im Handelsministerium, definierte lange recht schwammig diesen Anreiz, bis es im Juni 2022 eine zweispurige Regelung für einfache und schwerwiegende Verletzungen, die beispielsweise durch die Wiederausfuhr kontrollierter und genehmigungspflichtiger Waren, Software und Dienstleistungen mit amerikanischen Kompontenten aus Europa an Drittempfänger geschehen, verkündete.

Am 18. April 2023 ging es einen Schritt weiter und verkündete definitive Folgeminderungen, die bei einer Abgrenzung verschiedenere Fallkonstellationen möglich sind unter dem Titel: Clarifying Our Policy Regarding Voluntary Self-Disclosures and Disclosures Concerning Others als Memorandum for All Export Enforcement Employees. Ein Ziel des Amts ist es, Verletzer, aber auch Dritte wie involvierte juristische und natürliche Personen zur freiwilligen Selbstanzeige nach Exportkontrollfehlern zu animieren.

In der Praxis bedeutet dies mehr Rechts- und Rechtsfolgensicherheit im Bereich Export Controls, aber auch die Notwendigkeit der sorgfältigen, präzedenzfallorientierten Formulierung der Selbstanzeige und seines Beweiskonvoluts sowie die Beachtung des Zeitelements. Wer eine Selbstanzeige vorbereitet, muss auch beachten, dass die erhofften positiven Auswirkungen wegfallen können, wenn das Amt durch seine Detektive die entsprechende Verletzung selbst aufdeckt.



 


Donnerstag, den 23. März 2023

Mutter umgeht Tochterfirma: Ab ins US-Gericht

 
Einfache Risikovermeidungstipps vermeiden die Alter Ego-Haftung
.   Wer den Markteintritt in den USA sorgfältig plant, richtet meist eine amerikanische Gesellschaft als Puffer zwischen den Haftungsrisiken USA und der Muttergesellschaft ein. Das ist weder schwer noch teuer, und fast immer ist es eine gute Idee. Doch Vorsicht: Die Mutter kann trotzdem vor dem US-Gericht landen und für die Haftung der Tochter gerade stehen. Dabei lassen sich diese beiden Risiken vermeiden:
1. In den USA tritt nur die Tochter auf.

2. Bei einer Personalunion von Mutter- und Tochterposten, beispielsweise von Geschäftsführer und President oder CEO, keine Unklarheit zulassen.

3. Also kein Briefpapier der Mutter mit US-Kunden.

4. Keine EMailsignatur der Mutter bei Korrespondenz mit US-Kunden oder US-Personal.

5. Keine Konzerndirektiven! Das Board of Directors in den USA muss selbständig handeln, auch wenn seine Mitglieder identisch mit den Äquivalenten der Mutter sind.

6. Die ganz groben Schnitzer vermeiden die meisten gut geführten Unternehmen: Vermischung von Bankkonten und mangelnde Trennung von Finanzen und sonstigen Bereichen.
Die Hinweise 2 bis 5 werden leicht vergessen. Sie können aber entscheidend sein, wenn die Mutter in den USA mit der Behauptung verklagt wird, sie hafte für die Tochter als ihr Alter Ego.


Donnerstag, den 16. März 2023

KI wie Kamera im Urheberrecht

 
Überblick: Werkzeuge unerheblich, menschliche Schöpfung entscheidend
Copyright Symbol
.   In der Frühzeit der Urheberrechtssprechung wurde debattiert, ob ein Foto schutzfähig sei, da es schließlich nicht vom Menschen, sondern der Kamera geschaffen wurde. Dieselbe Frage stellt das Urheberrechtsamt bei der Anmeldung von Urheberrechten mit Merkmalen der Künstlichen Intelligenz, Artificial Intelligence, also KI oder AI.

Fotos sind Werke menschlichen Schaffens, und KI-Werke können es ebenso sein. Also eignen sie sich als Werke im Sinne des Copyright Act und können schutzfähig sein. Am 16. März 2023 verkündete das Copyright Office in Washington, DC, neue Leitlinien für die Anmeldung von Werken mit KI-Elementen unter dem Titel Copyright Registration Guidance: Works Containing Material Generated by Artificial Intelligence. Regelmäßig muss nicht das technische Mittel zur Schöpfung eines Werkes gemeldet werden, mithin Software genauso wenig wie Tinte oder eine Kamera.

Reine KI-Werke sind nicht schutzfähig, wenn der Mensch hinter der Machine Befehle eingibt, die die Maschine ausführt und die nur der Steuerung, nicht dem Ausdruck schöpferischer Tätigkeit, dienen. Befiehlt der Mensch mal mir ein Bild wie Dali, aber mit Kuh, gestaltet KI das Bild, und der Mensch kann das Ergebnis nicht für sich reklamieren.

Schreibt der Mensch einen Aufsatz um das Bild herum, ist das gesamte Werk schutzfähig, aber der Eintragungsantrag muss das Bild mit einem Disclaimer ausnehmen. Es darf also nach Urheberrecht von jedermann kopiert werden -, aber nicht unbedingt auch nach anderem Recht -, und das Eintragungszertifikat beschränkt sich auf das Gesamtwerk minus Bild.







CK
Rechtsanwalt i.R. u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, von 2014 bis 2022 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2021 erschien die 5. Auflage mit seinem Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.




 
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